Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft
sie. Sie hat sich schick gemacht. Kleines Schwarzes, Jimmy Choos und frisch gewelltes Haar.
»Ich gehe zu einer Vernissage. Es wird nicht spät. Was machst du heute Abend?«
»Der große Gatsby.«
»Läuft es gut?«
Ich nicke. Krähe ist nämlich nicht der einzige Mensch, der beschlossen hat, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Ich habe keine Lust mehr, mich vor jedem Aufsatz, den ich zurückbekomme, zu fürchten. Wenn ich nicht gerade mit meinen Freundinnen rumhänge, strenge ich mich heimlich an, und es scheint zu funktionieren. Meine Englischlehrerin fasst meine Aufsätze nicht mehr mit spitzen Fingern an wie bisher – als wären sie giftig. Diesmal hoffe ich auf eine Zwei.
Mum kommt herein und gibt mir einen Kuss auf den Scheitel. Ich rieche die vertraute Mischung von Rive Gauche, Jo-Malone-Shampoo und Elnett-Haarspray. Sie nimmt mein Gesicht in beide Hände und strahlt.
»Diesmal gibst du dir wirklich Mühe, oder, Schätzchen?«
Ihre Augen leuchten und ihr Haar glänzt. Das ist mir in letzter Zeit schon öfter aufgefallen. Genau wie die einzelne weiße Rose ohne Absender, die sie jeden Montagmorgen geschickt bekommt und die sofort in einer Kristallvase auf ihrem Schreibtisch unter dem Dach landet. Und wie sie immer zusammenzuckt, wenn ihr BlackBerry piept. Und das heimliche Strahlen in ihrem Gesicht, wenn es die Nachricht ist, auf die sie gewartet hat. Inzwischen kenne ich das Gefühl: Ich hatte es, als mir Liam die Nachricht mit der Fahrradkette geschickt hat. Es ist Liebe oder so was in der Richtung. Zumindest eine Sympathieattacke.
Und es kommt mir zugute, weil es sie dauerhaft in gute Laune versetzt, und das heißt, dass sie fast ohne zu zögern Ja sagt, als ich sie frage, ob ich vielleicht, vielleicht als Teil meines Geschenks zum achtzehnten Geburtstag in den Ferien nach Chicago fahren darf, um Jenny in der Show zu sehen. Sie versucht nett zu mir zu sein und hat seit dem Sommer nichts mehr von Brechstangen gesagt. Sie redet zwar nicht mit mir darüber, aber mir ist vollkommen klar, wer dahintersteckt. Die weißen Rosen haben ihn verraten.
Vicente.
Es hat wieder gefunkt zwischen den beiden, als er im Februar da war. Man konnte es sehen, als sie zusammen tanzten. Ich schätze, es war nur eine Frage der Zeit. Es wäre schön, wenn Mum mich endlich ins Vertrauen ziehen würde, aber sie tut es nicht. Es ist ihr peinlich. Vielleicht merkt sie, dass es ein schlechtes Licht auf mich wirft – wenn sie sich wieder in den Mann verliebt, mit dem sie zusammen war, bevor ich dazwischenkam und alles kaputt gemacht habe. Und ich funke ihnen immer noch dazwischen, denn es liegt an mir und dem »wichtigen Schuljahr«, dass sie nicht einfach nach Brasilien fliegt und zu ihm zieht.
»Meinst du wirklich?«, fragt Jenny. »Brasilien? Im Ernst?«
Ich skype mit ihr, um ihr zu erzählen, dass ich sie in Chicago besuchen werde. Aber wir werden von Männern abgelenkt. Wie üblich.
»Warum nicht?«, sage ich.
»Klingt wie im Märchen«, seufzt Jenny.
»Wie meinst du das?«
»Na ja, sich so lange nach jemandem zu sehnen, und am Ende kommt man zusammen. Ich meine – achtzehn Jahre. Das ist ein ganzes Leben.«
Ich habe das Gefühl, sie stellt sich Mum als Musicalstar vor, und im Moment denkt sie an die Szene, wo Mum Vicente in die Arme fällt und er sie über die Bühne schleudert und singt: »Endlich!« Oder so ähnlich.
»Na ja«, sage ich, weil ich gerne das Thema wechseln möchte. »Wie läuft es bei dir? Du hast doch sicher lauter bildschöne Männer um dich.«
»Ja, das stimmt.« Sie kichert. »Wahnsinnig schön und entzückend. Und so was von talentiert . Aber die, die mir gefallen, sind entweder ein Paar oder mit einem Mädchen aus dem Chor zusammen. Zurzeit probe ich hauptsächlich mit Gary Lee, der Prinz Philip spielt, und er ist mit einem meiner Kammerfräulein zusammen. Du müsstest mal ihren Spagat sehen. Sie ist supertoll .«
»Und du? Bist du bereit? Fangt ihr nicht in drei Wochen mit den Vorpremieren an?« Die Vorpremieren sind eine Reihe von Aufführungen, die vor der eigentlichen Premiere stattfinden, um den Kritikern die Möglichkeit zu geben, bis zum offiziellen Start ihre Kritiken zu schreiben.
»Ja, ich weiß ! Wir haben bald die erste Kostümprobe mit Orchester. Das wird supercool. Die Kulissen sind irre. Der Ballsaal des Buckingham Palace. Die königliche Yacht Britannia . Ein Riesenzelt in Afrika. Warte nur, bis du alles siehst!«
Ich hoffe, sie versucht nicht, mir irgendwas
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