Moderne Piraten
drohend vor sich sah, verließen ihn die letzten Reste seines Mutes. »Non, Monsieur, mais non!«
Mit einem Ruck schleuderte ihn Morton auf einen Diwan. »Dein Glück, daß du Vernunft annimmst! – Ah!« Er dehnte und reckte beide Arme bis zur Zimmerdecke. Der körperliche Ausbruch hatte ihm Erleichterung verschafft. Etwas ruhiger wandte er sich an Megastopoulos. »Kommt der Kerl hierher, will sein Boot von uns noch einmal bezahlt haben, nachdem er dem andern da drüben im »Hotel du Lac« heute mittag schon sechstausend Franken dafür abgepreßt hat – Hüte dich, du!« Er wandte sich wieder an Bouton. »Mit dir mache ich kurzen Prozeß. Pack dich! Laß dich hier nicht wieder sehen!«
Monsieur Bouton war es inzwischen gelungen, die Tür zu erreichen. Erst am andern Ende des Flurganges blieb er stehen, um Kleidung und Frisur in Ordnung zu bringen. Einen bitterbösen Blick warf er zurück, als er die Treppe hinabging. Scham, Wut, Rachsucht waren darin zu lesen.
Im Zimmer stand inzwischen Megastopoulos vor dem langen Schotten. »Es war unklug, Morton, den Mann so zu mißhandeln. Bei nächster Gelegenheit wird er uns sicherlich dafür einen Streich spielen.«
Morton besah sich befriedigt seine beiden Fäuste. »Falls er’s versucht, Megastopoulos, drehe ich dem Schuft das Genick um. Wenn ich nicht so genau wüßte, daß er dem andern schon sechstausend Franken abgenommen hat! Erst vor zwei Stunden hat es mir die Dimitriescu erzählt. Sie hat den ganzen Vorfall mit angesehen. Da hat er dasselbe Theater gemacht wie hier und auch mit der Polizei gedroht. Der Esel, der Gransfeld, ist darauf reingefallen. Mit baren sechstausend Franken konnte der Kerl da abziehen.«
Während Morton sprach, spiegelten sich die verschiedensten Empfindungen auf dem Gesicht des Griechen wider, Interesse, Erstaunen, Neid, Bewunderung. Jetzt unterbrach er Morton. »Ein Genie ist der Mann, ein Finanzgenie, Morton!«
Sein Kumpan sah ihn verständnislos an. »Wieso ist er das, Megastopoulos?«
»Genial ist das, Morton, sich ein und dieselbe Sache dreimal bezahlen zu lassen.«
»Dreimal?« Morton schüttelte verständnislos den Kopf.
»Ja, dreimal wollte er das Boot bezahlt haben, Morton. Es ist Eigentum der Organisation, die ihm natürlich ein neues stellen wird. Das zweite Mal hat er’s von Gransfeld bezahlt bekommen, und das dritte Mal wollte er’s hier …«
Morton knurrte dazwischen. »Ich zweifle, ob die Bezahlung hier so ganz nach seinem Geschmack gewesen ist.« —
Die Dimitriescu war es gewesen, die Monsieur Bouton mit dem Auftrage zu Gransfeld geschickt hatte, Ersatz für sein zerstörtes Boot zu verlangen. Wenn nämlich Bouton das tat, wenn er bei der Verhandlung recht deutlich und eindringlich auf die Verantwortlichkeit Gransfelds hinwies und womöglich mit Polizei und Gericht drohte, dann mußte natürlich jeder Verdacht zerstreut werden, den der Doktor unter Umständen haben konnte.
Von Gransfeld unbeobachtet, hatte sie von einem gedeckten Platz aus die ganze Verhandlung im Schreibzimmer mit angehört und den Erfolg Morton brühwarm berichtet. Sie konnte nicht voraussehen, daß Bouton dabei Geschmack an dem Geschäft gewinnen und es an anderer Stelle noch einmal versuchen würde. Boutons persönliches Pech war es, daß er dabei an den schon bis zum Explodieren geladenen Morton geriet und statt der erhofften Tausendfrankscheine unliebsame Boxerhiebe und Fußtritte in Kauf nehmen mußte.
Die Rumänin war erst am Morgen nach dem Bootsunfall in das »Hotel du Lac« übergesiedelt. Gransfeld hatte sie während seiner Verhandlung mit Monsieur Bouton nicht bemerkt. Rudi aber hatte sie bereits am Vormittag in der Vorhalle des Hotels gesehen. Da Gransfeld durch Rasmussen und danach durch Monsieur Bouton in Anspruch genommen war, hatte Rudi ihm seine Entdeckung noch nicht mitteilen können. Doch wie ein Jagdhund hatte er sich sofort auf die Spur der Rumänin gesetzt und beobachtet, wie sie vor kurzem aus dem »Hotel des Etrangers« zurückgekehrt und in ihr Zimmer gegangen war. Jetzt trieb er sich auf dem Flur davor umher, begierig, weiteres über ihr Tun und Treiben in Erfahrung zu bringen.
Ein Glockenzeichen ließ ihn plötzlich aufmerken. Er eilte sofort zu der Klingeltafel, die sich am entgegengesetzten Ende des Ganges befand. Eine Nummernscheibe war gefallen. Es war die Zimmernummer der Dimitriescu. Rudi stellte sich an einen Blumentisch.
Während er mit angelegentlichem Interesse die verstaubten Blattpflanzen betrachtete,
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