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Moderne Piraten

Titel: Moderne Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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sah, da habe ich mir gedacht, so könnte ich’s doch am Ende wagen, und bin in das Werk gegangen.«
    »Was streng verboten war, du Stromer! Sind dir etwa Leute begegnet, die dich von früher her kennen? Das wäre trotz der Maske gefährlich gewesen.«
    »Nein, Herr Rübesam, eigentliche Bekannte nicht.«
    »Doch uneigentliche. Wer war’s denn? Wen oder was hast du gesehen?«
    »Etwas ganz Merkwürdiges, Herr Rübesam. Ich hielt mich da in dem Gang neben dem Heroinsaal auf.«
    »Bei dem Heroinsaal? Junge, bist du denn ganz und gar des Teufels? Hast du von dieser Gegend die Nase noch nicht voll? Die Herren Henke und Altmüller sind dir doch wahrhaftig nicht grün.«
    »Ach, Herr Rübesam, in der Maske fühlte ich mich ganz sicher! Da stand ich nun und sah, wie der Fritz, der kleine Junge von dem Altmüller, kam, um seinem Vater das Essen zu bringen. Er hatte das Geschirr in einem Henkelkorb und – Sie müssen wissen, Herr Rübesam, es ist ein schwächlicher Junge, noch so ein richtiger Knirps – er trug ziemlich schwer an dem Korb.«
    »Kann ich mir vorstellen, Rudi. Die Leute schlagen sich ja zu jeder Mahlzeit einen halben Scheffel Kartoffeln in den Leib.«
    »Ja, aber nun kommt das Merkwürdige. Als der Fritz Altmüller nach einer halben Stunde wieder aus dem Saal kam, da schien er mir immer noch so schwer zu schleppen, und das Geschirr hätte doch jetzt leer sein müssen. Die Sache ist mir aufgefallen.«
    Rübesam pfiff durch die Zähne und dachte eine Weile nach. »Hm, Junge, die Geschichte ist in der Tat wert, daß man ihr weiter nachgeht! Bringt der Junge dem Alten das Essen alle Tage ins Werk?«
    »Soviel ich mich erinnern kann, ja, Herr Rübesam. Ich habe ihn jedenfalls früher schon öfter mit dem Eßkorb kommen sehen. Nur das, was ich da heute sah, ist mir früher nicht aufgefallen.«
    »Hm, hm! Um zwei Uhr mittags ist die Frühschicht zu Ende. Um zwölf läßt sich Altmüller noch einmal warmes Essen von seinem Jungen bringen. Ist ja eigentümlich. Welchen Weg nimmt denn dieser Fritz, wenn er aus dem Heroinsaal kommt? Ich meine, da müßte er doch über den zweiten Gang an meinem Zimmer vorbeikommen.«
    »Stimmt, Herr Rübesam; den Weg ist er auch heute gegangen. Das ist ganz richtig. An Ihrem Zimmer vorbei, bis zum dritten Treppenhaus und dann den Weg zum Hauptportal. Ich bin ihm bis dahin nachgegangen.«
    »Der Pförtner hat ihn natürlich ohne weiteres durchgelassen?«
    »Ja, selbstverständlich, Herr Rübesam. Der hatte ihn ja mit dem Eßkorb hineingehen sehen und sah ihn jetzt wieder herauskommen. Er hat kaum hingeguckt.«
    »Setz die Brille auf!« unterbrach ihn Rübesam.
    Kaum hatte Rudi die Hornbrille auf der Nase, als die Wirtschafterin mit der heißen Suppenschüssel ins Zimmer kam. »Wo bleibt denn der junge Herr heute, Herr Rübesam?« fragte sie verwundert.
    »Der kommt heute später, Frau Schmidt.«
    Die Alte machte sich daran, das zweite Gedeck abzuräumen.
    »Lassen Sie nur, Frau Schmidt! Der Herr hier wird heute mit mir speisen.«
    Kopfschüttelnd ging die Alte aus der Tür. Kaum war sie draußen, als Rudi losplatzte. »Sehen Sie, Herr Rübesam, nicht einmal Frau Schmidt hat mich wiedererkannt!«
    Rübesam winkte ab. »Nicht zu voreilig, mein Jungchen! Während des Mittagessens mußt du die Maske nun schon beibehalten. Die Alte würde sich wundern, wenn der fremde Herr plötzlich verschwunden wäre und dafür ein gewisser Rudi hier am Tisch säße. Binde dir ordentlich das Mundtuch um, damit Frau Schmidt nachher möglichst wenig von dem Anzug sieht! Den kennt sie nämlich sehr genau.« Er schob Rudi den gefüllten Suppenteller hin. »Guten Appetit! Jetzt kannst du ja mal versuchen, wie man mit so einem alten Germanenbart Suppe ißt.« —
    Am nächsten Mittag blieb Rübesam länger in seinem Arbeitszimmer im Werk. In seiner Gesellschaft befand sich ein Herr mit Brille und dunkelblondem Vollbart. Das Interesse der beiden erstreckte sich ausschließlich auf die große Wanduhr, deren Minutenzeiger sie nicht aus den Augen ließen.
    »Fündundzwanzig Minuten nach zwölf, Herr Rübesam. Um die Zeit ist der Fritz gestern aus dem Saal gekommen.«
    Rübesam stand auf. Einen adressierten und frankierten Brief in der Hand, trat er auf den Flur hinaus und blickte sich suchend im Gang um. Vom andern Ende her kam irgendwer. Das Klappern von Blechgeschirr klang durch den hohen, leeren Gang. Ein schmächtiger, schwächlicher Junge war’s, der einen Eßkorb trug.
    Rübesam rief ihn an. »He, mein Junge,

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