Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits
blickte ihn kalt an. «Ich bin für Sie doch keine Fremde, Jules. Stellen Sie meine Kreditwürdigkeit in Frage?»
«Nein, nein, Mademoiselle, aber ich kann Ihnen keine Jetons mehr zugestehen. Ich bin für die Auszahlung an Mr. Dall verantwortlich, Sie verstehen doch?»
Modesty sah Dall an und fragte: «Zweifeln Sie an meiner Zahlungsfähigkeit?»
Er nahm die Zigarre auf und sog an ihr. «Nein, Madam.» Seine tiefe Stimme klang ein wenig abrupt. «Sie verloren gestern an mich 80.000 Dollar. Ich führte nach dem Spiel ein paar Ferngespräche und weiß jetzt, mit wem ich es zu tun habe. Ich habe eine ziemlich klare Vorstellung, für wieviel Sie gut sind.»
Sie hielt seinem Blick stand und sagte: «Dann betrachten wir doch das Ganze hier als eine Privatangelegenheit. Sie setzen Ihren ganzen Gewinn, und ich sage
banco
.»
«Nein, Mademoiselle!» protestierte Ferrier rasch.
«Das kann ich nicht zulassen.»
«Seien Sie nicht albern», sagte sie kurz. «Wenn Mr. Dall und ich uns entschlossen, um den ganzen Betrag eine Münze zu werfen, würde Sie das gar nichts angehen, solange ich Ihre Jetons decke. Ich frage ihn daher, ob er auf meinen Vorschlag eingeht.»
Dall legte seine Zigarre langsam wieder nieder. Er sagte: «Ich nehme an, Sie können für einen Verlust in dieser Höhe aufkommen, Miss Blaise, aber Sie werden wahrscheinlich etwas ins Gedränge kommen. Ich spiele zu meinem Vergnügen. Ich werde mir dabei nicht das Genick brechen. Aber es macht mir keinen Spaß, mitanzusehen, wie sich ein anderer das Genick bricht, noch dazu eine Frau.»
Ein verächtlicher Zug umspielte Modestys Mundwinkel. Sie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, über die gespannten Gesichter und ließ ihn dann auf Dall ruhen.
«Verschwenden Sie nicht Ihre Ritterlichkeit an mich, Mr. Dall. Wenn Sie es vorziehen, Ihren Gewinn nicht zu riskieren, dann sagen Sie es bloß. Ich werde das völlig verstehen.» Die letzten Worte waren so ruhig gesprochen, wie alles, was sie bisher gesagt hatte, aber sie enthielten einen Unterton, der wie ein Peitschenhieb traf.
Dalls Lippen wurden dünn, und seine schiefergrauen Augen verengten sich ein wenig. «Ganz wie Sie wünschen, Madam», sagte er gleichgültig. Er drehte den
sabot
herum und holte die erste Karte heraus.
Drei weitere folgten. Der Croupier schaufelte Modestys beide Karten auf und legte sie fein säuberlich, das Bild nach unten, vor sie hin.
Sie sah die Karten an, legte sie wieder nieder, pochte mit dem Finger darauf und sagte: «Eine Karte.»
Dall nahm eine Karte heraus, und die Spachtel ließ sie mit dem Bild nach oben neben ihrer Hand fallen. Es war eine Karo Vier. Ruhig, ohne eine Spur von Dramatik, drehte Dall seine eigenen beiden Karten um.
Eine Dame und eine Acht. Ein Geraune ging durch die Zuschauer.
«Sie werden eine Neun brauchen, Madam, wenn Sie gewinnen wollen», bemerkte Dall teilnahmslos.
Nur die Lippen Modestys lächelten, während ihr Blick über seine Karten lief. Eine Zehn und eine Drei.
Sie selbst hatte insgesamt bloß sieben. «Es reicht nicht ganz», sagte sie gleichgültig. «Ich danke Ihnen für das interessante Spiel, Mr. Dall.»
Ferrier trat an den Tisch und bedeutete dem Croupier mit einem Fingerschnappen, die Bank einzuräumen. «Würden Sie sich bitte in mein Büro bemühen, Mademoiselle Blaise, und Mr. Dall? Das Haus ist für die unbezahlten Jetons verantwortlich, nicht aber für das letzte Spiel, natürlich.»
Modesty ergriff ihre Handtasche und ging Ferrier zu der unauffälligen Tür in der Ecke, die in sein Büro führte, voraus. Dall tötete ohne Eile seine Zigarre ab und folgte. Ferrier hielt ihm die Tür offen, sie gingen hinein, und die Tür schloß sich hinter ihnen. Die Spannung im Saal löste sich. Die Männer begannen zu sprechen, zuckten die Achseln und winkten den Kellnern, sie möchten Getränke bringen.
Der Croupier sammelte die Karten ein und warf sie in den Zylinder in der Mitte des Tisches.
«
Qui veut la banque
?» fragte er.
In Ferriers Büro nahm Modesty den Stuhl, den er ihr bereithielt.
Dall setzte sich auf die Armlehne einer tiefen Couch, und Ferrier selbst nahm hinter seinem Schreibtisch Platz. Er tupfte mit einem weißen Taschentuch über seine Augenbrauen. Es klopfte. Der Saaldiener trat ein, leerte einen Berg Jetons aus einem Stoffsack auf den Schreibtisch und ging wieder.
Dall entspannte sich, blickte auf Modesty und hob fragend die schwarzen Augenbrauen.
Sie lächelte, und es war wie Sonnenlicht, das auf dem
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