Modesty Blaise 03: Die Lady reitet der Teufel
hinaufzuhelfen.
«Hallo, Prinzessin. Ich hab mir schon Gedanken gemacht, wann du aufkreuzen wirst.» Er führte sie zu einer kleinen, aus dem Felsen gewaschenen Mulde. «Hab schon gedacht, ich müßte hier ein paar Tage herumsitzen.»
«Die Gelegenheit war jetzt am günstigsten, Willielieb.» Der Felsen hielt noch immer die Hitze des Tages.
Modesty legte sich zurück und atmete tief. «Hast du dich mit John Dall in Verbindung gesetzt?»
«Nein.» Willie ließ sich neben sie in die Mulde fallen. «Das Funkgerät war samt der anderen Ausrüstung in meinem Seesack. Ist mit der Mine hochgegangen.»
«Besser als du wärst hochgegangen.»
«Schwein gehabt.» Er informierte sie kurz über das Geschehene, streckte dann die Hand aus und drehte sanft ihr Gesicht herum. Modesty wälzte sich auf die Seite, so daß er die Rückenknöpfe ihres nassen Cheongsam öffnen und nach der Wunde sehen konnte. Die wasserdichte Schutzschicht war noch intakt.
«Hat es dich beim Schwimmen gestört, Prinzessin?»
«Nein. Leichter Muskelschmerz eine halbe Stunde lang, aber dann war es vorbei. Und wie hast du’s überstanden, Willie?»
«Ganz gut, sobald ich erst mal außer Sicht war und wieder richtig Luft schnappen konnte. Der Nebel kam mir sehr gelegen. Ich war um die Landzunge herum und auf dem Rückweg, bevor die Moro-Posten wieder aufgezogen waren.»
Sie setzte sich auf und knöpfte ihr Gewand zu. Willie war ein tüchtiger Schwimmer und mußte die Strömung viel schneller überwunden haben als sie. Damit hatte sie gerechnet.
«Mit dem Blut hast du mich aber erschreckt», sagte sie. «Einen Augenblick lang hab ich wirklich geglaubt, ich hätte dich getroffen.»
Er grinste. «Man muß eben seine Rolle leben, wie wir Komödianten zu sagen pflegen. Das hätte ja einen Oscar verdient. Ich hab mich beim Werfen absichtlich in den Finger geschnitten, und so ein bißchen Blut macht ganz schön was her.»
«Ist der Schnitt jetzt wieder in Ordnung?»
«Bestens. Ich nehm’s mit jedem Pokerspieler auf.»
Erleichtert atmete sie auf. «Ich bin froh, daß du meine Zeichen verstanden hast, als Seff mit seiner Duell-Idee daherkam. Viel konnte ich dir ja nicht signalisieren, wo alle mich angestarrt haben.»
«Es hat genügt.»
«Klar. Aber ich war nicht sicher, ob du weißt, daß alle paar Sekunden ein schwerer Brecher hereinkommt, der dich hinaustragen würde.»
«Hab ich gewußt. Ich war doch schon an der Küste, als ich dir dort die Nachricht hinterlassen hab.»
«Und wie war der Sturz?»
«Keine Sache. Mit dem Fallschirm bin ich schon härter aufgekommen. Der Sand war naß, und ich hab mir den Platz ausgesucht. Erst dann hab ich mich über den Stein gewälzt.»
«Hat sehr echt ausgesehen.» Sie erhob sich. «Jetzt haben wir aber keine Zeit mehr, Willie. Dein Faltboot haben sie nicht gefunden?»
«Nein. Ich hab es gleich bei meiner Ankunft hier versteckt.» Er verschwand im Gebüsch und kehrte erst nach ein paar Minuten zurück.
Das Faltboot war in einiger Entfernung von der Bucht, wo das Dingi gelegen hatte, versteckt. Willie Garvin war kein heuriger Hase. Wortlos stellte er jetzt die lange Kanevastasche und den Rucksack zu Boden. Modesty kniete nieder, um ihm beim Lösen der Riemen zu helfen. Gemeinsam setzten sie den Rahmen des Faltboots zusammen und plagten sich dann ab, die imprägnierte Segeltuchhülle darüberzuziehen.
Fünf Minuten später trieben sie schon auf dem Wasser. Modesty hatte den Vordersitz. Als sie die Paddel zusammenfügten, fragte sie: «Wirst du auch hinfinden?»
«Natürlich. Ich weiß, wo Dall vor Anker liegt. Es ist ein kleines Atoll, und ich kenne den Kurs. Hab ihn mir auf der Karte gleich nach meiner Ankunft angesehen.»
«Hast du einen Kompaß?»
«Ums Bein geschnallt. Vorher war er mit dem Boot eingepackt.»
«Wie weit, glaubst du, wird es sein?»
«Zirka 35 Meilen. Wir müssen einen kleinen Umweg machen, um die Strömung zu vermeiden. Dabei haben wir noch Glück. Wenn John und ich einen Treffpunkt westlich der Abwurfstelle ausgemacht hätten, könnten es 80 Meilen sein.»
«Also sechs Stunden. Gut für die Linie. Los, Willielieb.»
Die Paddel tauchten gleichzeitig ins Wasser, und das Faltboot glitt sanft aus der Bucht in das ruhige, offene Meer.
«Wenn wir da sind», sagte Modesty, «wollen wir auf Garcías Wohl trinken. Etwas Supernakuläres. Ohne ihn wären wir jetzt nicht beisammen.»
«García? Der die Delphine abrichtet?»
«Ein Fischmensch. Ich würde mich nicht wundern, wenn er
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