Modesty Blaise 03: Die Lady reitet der Teufel
einflußreicher Männer im Raum, aber Dall dominierte eindeutig. Einer der Anwesenden referierte, wobei er gelegentlich in die vor ihm liegende Akte blickte. Dall hörte aufmerksam zu.
Er war imstande, sich so zu konzentrieren, daß er das gedämpfte Summen des Telefons auf dem Tisch seiner Sekretärin Jane Dunster überhörte.
Als der Sprecher einhielt und an Dall vorbei zum Apparat blickte, wandte John sich unmutig um und sah, wie Jane ihm soeben einen Zettel zuschob. Das war überraschend, denn sie hatte strikte Anweisung, ihn während dieser Sitzung nicht zu verbinden. Aber da Jane nun schon zehn Jahre für ihn arbeitete, konnte man ihrem Urteil vertrauen. Er nahm den Zettel und las die drei Worte in Janes steiler Handschrift: Willie Garvin – dringend.
Ein wenig unsicher sagte sie: «Ich dachte –»
«Schon gut, Jane. Ist schon recht», sagte er beruhigend und erhob sich. «Ich muß die Herren um einige Minuten Geduld bitten.»
Während Jane neben ihm über den Gang zu seinem Privatbüro schritt, sagte sie: «Ich habe ihn gefragt, ob ich etwas ausrichten könne, aber er sagte, es sei dringend.»
«Dann ist es dringend», sagte Dall ein wenig beunruhigt. «Hat er irgend etwas von Modesty erwähnt?»
«Nein.» Verstohlen blickte Jane Dunster ihren Chef an. Da er ihr vertraute und auch wußte, wie wichtig es für eine gute Privatsekretärin war, über alles informiert zu sein, verbarg er geschäftliche Dinge ebensowenig vor ihr wie private. Sie arbeitete für ihn seit jenen Tagen, da er Modesty Blaise damit beauftragt hatte, ein wertvolles Industriegeheimnis wiederzuerlangen, das dem chemischen Zweig seines Unternehmens gestohlen worden war.
Jane Dunster wußte auch, daß er erst voriges Jahr Modesty persönlich kennengelernt hatte und wie er sogar den CIA damit befaßt hatte, ihr und Willie Garvin in einem sonderbaren und beklemmenden Kampf in den Bergen Afghanistans beizustehen. Jane selbst hatte Modesty erst vor wenigen Monaten kennengelernt; Modestys Wunden waren eben verheilt, und sie verbrachte einen sechswöchigen Genesungsurlaub mit Dall auf dessen Ranch bei Amarillo und in der Badehütte am See in Sun Valley, Idaho.
Jane Dunster hatte sich damals an Dalls Glück mitgefreut. Jetzt aber machte sie sich Sorgen, denn sie wußte als einzige von der Todesdrohung gegen ihren Chef.
Seit zwei Tagen lebte sie in beständiger Angst um ihn.
«Ob sein Anruf vielleicht mit dieser Erpressung zu tun hat?» fragte sie.
«Möglich.» Dall ließ ihr den Vortritt und schloß dann die Tür zu seinem Büro hinter sich. «Fragt sich nur, warum Modesty nicht selbst anruft.» Er hob ab.
«Dall. Bitte legen Sie das Gespräch herüber.»
Gleich darauf hörte er Willies Stimme. «Hallo, John?»
«Hallo, Willie! Was gibt’s?»
«Tarrant hat mir gesagt, du stehst auf ihrer Liste.»
«Stimmt. Eine halbe Million in Industriediamanten wollen sie haben.»
«Haben sie das gleich im ersten Drohbrief geschrieben?»
«Ja. Es ist den Verhältnissen nach gar nicht so viel. Filmstars kommen niemals unter 20 Millionen weg. Aber in dieser Sache ist ja alles etwas seltsam, wie mir meine gutinformierten Freunde versichern.»
«Das kann man wohl sagen. Und wirst du zahlen, John?»
«Einen Dreck werd ich zahlen.»
«Mir wär’s aber recht.»
«Wie bitte?»
«Dann könnte ich der Bande auf die Spur kommen.
Wir waren schon hinter ihnen her, da haben sie Modesty geschnappt. Weiß nicht, wo sie jetzt ist.»
Dall gab es einen Stich. «Geschnappt?» wiederholte er heiser.
«Genau.» Willies Stimme war unbewegt. «Ich glaub aber nicht, daß ihr etwas passieren wird. Sonst wäre sie nicht so folgsam mitgegangen.»
«Folgsam?»
«Ich hab’s ja gesehen.»
Dall saß da wie vor den Kopf geschlagen. Dann nahm er sich zusammen und konzentrierte sich auf das Wichtige. «Wenn sie Modesty geschnappt haben, dann haben sie sich endlich zu erkennen gegeben. Du hast die Leute gesehen, du weißt also, wer sie sind. Und wenn du’s noch nicht weißt, hast du genug Material, um eine Aktion aufzuziehen. Eine große, auf internationaler Basis.»
«So ist das leider nicht, John. Ich muß das Ganze allein anpacken.»
«Allein? Warum, zum Teufel?»
«Beschissene Sache. Wenn wir zuviel Lärm schlagen, wird Modesty umgelegt.»
«Woher weißt du das?»
«Ich hab durchs Fernglas zugeschaut, wie sie abgeführt wurde. Sie hat mir das Alarmzeichen gegeben, ganz klar und deutlich.»
«Und das heißt?»
«Das heißt: Unternimm nichts, bevor du
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