Modesty Blaise 03: Die Lady reitet der Teufel
Zimmer.
Schweigen herrschte nach seinem Abgang. Collier lehnte die Stirn an seinen Oberarm, um sich den Schweiß abzuwischen.
Dann sagte Seff mit hoher, spitzer Stimme: «Sie hat abzugehen. Sie müssen ihm das plausibel machen, Dr. Bowker.»
«Unmöglich, nicht bei dieser Entschlossenheit, Seff.
Sie haben es doch selbst gehört, bei Gott!»
«Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich dieses Namens in seiner Gegenwart enthalten wollten. Er ist höchst unpassend. Außerdem haben Sie selbst mir gesagt, daß er alles in seinen Wahn einordnen muß, was immer auch geschieht. Wenn also diese Frau verschwindet, wird Luzifer sich einreden, daß er es so befohlen hat.»
«Sicherlich. Er wird es schaffen, weil ihm nichts anderes übrigbleibt. Aber mit welcher Anspannung! Es könnte ihn eine Zeitlang völlig unansprechbar machen. Und wie sollte er dann seine Vorhersagen treffen?»
Vorhersagen. Modesty horchte gespannt. Ihre Vermutung schien irgendwie zuzutreffen. Luzifer war von einem Wahn besessen, und sie erriet schon halb, von welchem. Und zweifellos war er der Mann mit den medialen Fähigkeiten. Das hatte er während des kurzen, unwahrscheinlichen Kampfes bewiesen.
Zahllose Gedanken stürmten auf Modesty ein. Aber sie wehrte das alles ab und konzentrierte sich auf die erforderlichen Maßnahmen, für den Fall, daß Seff sie wirklich töten lassen wollte. Er würde versuchen, es möglichst unblutig zu machen. Dazu mußte ihr aber jemand in die Nähe kommen. Ihre Füße waren nicht gebunden. Auch Steve Collier war frei, und bei einigem Glück konnte er, falls es ernst würde, von Nutzen sein. Aber Wish hatte eine Pistole, und er würde notfalls davon Gebrauch machen. So blieb als beste Möglichkeit Willie Garvin, falls man die Sache lange genug hinausziehen konnte.
«Sie glauben, daß ihr Abgang Luzifers Fähigkeiten negativ beeinflussen könnte?» fragte Seff soeben.
«Ich bin sicher», erwiderte Bowker angstbeklommen. «Und
ich
bin sicher», bemerkte Wish, «daß wir diese Dame nicht festhalten können – auf so einer Reise, wie wir sie vor uns haben. Auch nicht, wenn wir dort sind. Sie ist gerissen und flink. Im Handumdrehen hat einer von uns sie im Genick.»
Seff machte die Augen schmal und wippte nachdenklich vor und zurück.
Bowker starrte Modesty haßerfüllt an und sagte:
«Wie wär’s, wenn wir ihr einen unserer Blausäuregürtel umschnallen? Dann soll sie versuchen, uns auszukommen. Und dasselbe für Collier.»
Seff knackte gedankenvoll mit den Fingerknöcheln.
«Im Prinzip ausgezeichnet. Aber ein Gürtel kann zu leicht abgeschnallt werden, außer der Träger ist ununterbrochen unter Aufsicht.» Er schritt knirschend durchs Zimmer. «Nein, kein Gürtel. Da weiß ich etwas viel Besseres.» Er drehte sich mit fragendem Lächeln herum. «Ich hoffe, Dr. Bowker, Sie erinnern sich noch Ihrer medizinischen Grundausbildung. Ein kleiner chirurgischer Eingriff wird notwendig sein.»
13
Neben einem im Dünensand halb versunkenen Stein nördlich von
Haus Lobigo
lag Willie Garvin auf dem Bauch, das Fernglas vor den Augen.
Er war tief beunruhigt. Irgend etwas war schiefgegangen. Es hätte gar nicht des fast schmerzhaften Ohrenprickelns bedurft, um sich darüber im klaren zu sein.
Eine Stunde war vergangen, seit er Modesty auf dem Weg an der Rückfront des Hauses gesehen hatte. Sie hatte mit Jack Wish gesprochen und war mit ihm hineingegangen.
Dann nichts mehr, bis vor zehn Minuten. Da hatte eine Dieselyacht etwa hundert Meter vor dem kleinen Anlegeplatz Anker geworfen und ein Boot mit Außenbordmotor zu Wasser gelassen, das zunächst eine Anzahl Koffer, eine zarte grauhaarige Frau und Jack Wish zur Yacht brachte. Jetzt kam das Boot noch einmal.
Willie richtete das Fernglas auf das Haus. Modesty trat heraus, und er fühlte sich für einen Augenblick erleichtert. Neben ihr schritt ein gutgebauter junger Mann mit kurzem dunklem Haar. Ein zweiter Mann folgte …
Herrgott! Das war doch Steve Collier!
Willie biß sich auf die Lippen und atmete tief. Der Ausdruck des Gesichts war nicht zu erkennen, aber Collier wirkte sehr bleich, verglichen mit der Bräune des andern. Nun folgten noch zwei Leute, ein alter Mann in schwarzem Anzug und ein etwa Vierzigjähriger, der Modestys Handtasche unter dem Arm trug.
Das war schlimm.
Willie wischte sich den Schweiß von der Stirn und stellte das Fernglas sorgfältig ein, während die Gesellschaft zum Anlegeplatz hinunterging. Keiner schien zu sprechen. Modestys Hände waren
Weitere Kostenlose Bücher