Modesty Blaise 03: Die Lady reitet der Teufel
70000 gutbewaffneten und erfahrenen Soldaten unterworfen werden. Dann, während des Zweiten Weltkriegs, hatten sie die Kerntruppe des kommunistisch inspirierten Guerillakampfes gegen die Japaner gebildet. Man hatte sie damals «Huks» genannt, eine Abkürzung für Hukbalahap, und noch einige Jahre nach dem Krieg hatten sie um die Beherrschung des Landes gekämpft. Aber nach der Niederlage waren die politischen Motive geschwunden. Die Huk-Bewegung löste sich auf, man kehrte zu den alten Lebensgewohnheiten zurück, und die Bezeichnung Moro wurde wieder gebräuchlich. Kleine Banden, mit aus US-Magazinen entwendeten Waffen ausgerüstet, beraubten die Küstendörfer und -städte von Segelbooten aus, die mit starken Motoren versehen waren.
Die Moros, welche hier Seffs neuen Stützpunkt bewachten, waren solch eine Bande. Draußen, an der hölzernen Landungsbrücke im langen Südarm der Bucht, lagen sieben ihrer Boote vor Anker. Hinter Modestys Badeplatz, zur Linken, wo das niedere Kliff zu wüstem Geröll abfiel, drängte sich eine Anzahl von Hütten mit Mattenwänden und Palmblattdächern.
Die Moros waren auf Grund eines zwischen Seff und Mr. Wu Smith aus Macao abgeschlossenen Vertrags hier. Modesty kannte diesen Mr. Wu Smith recht gut aus den alten Tagen, und es überraschte sie daher nicht, daß Seffs Beutegüter durch die Hände dieses Mannes gingen – das Gold, das Rauschgift, die Edelsteine. Mr. Wu Smith und Seff waren einander an Bösartigkeit und Macht ebenbürtig, und es war kein Wunder, daß die Moros keine Miene machten, ihrem natürlichen Trieb zu folgen und die kleine Europäergruppe hier abzuschlachten. Es gab nur wenige Leute, vor denen sie Angst hatten, aber Mr. Wu Smith war einer davon, und sein Arm reichte weit. Und was Seff betraf, so hatte er es rasch und mühelos zu einer ähnlichen Position gebracht. Sogar Sangro, der Bandenführer, fühlte sich in Seffs Gegenwart unbehaglich. Es war vielleicht das Unbehagen des fleischfressenden Warmblütlers dem kalten, drohenden Blick der Giftschlange gegenüber.
Modesty wußte nicht, ob dieser Küstenstreifen zu Luzon, zu Mindanao oder einer der 7000 kleineren Inseln gehörte, welche die Philippinen bilden. Sie hatte während des letzten Teils der Reise nichts mehr sehen können, denn das Wasserflugzeug hatte sie bei Nacht in der Bucht abgesetzt und war wieder abgeflogen.
Jetzt lag die Bucht zwischen zwei langen, steilen Felsketten vulkanischen Ursprungs vor ihr; kein Riff sperrte die Einfahrt: laut Bowker war es während des Krieges von den Japanern gesprengt worden, als sie auf diesem Landstreifen eine Küstenbatterie errichtet hatten. Modesty hatte selbst die betonierten Geschützfundamente gesehen, welche nun von Bambusschößlingen und Schlingpflanzen überwuchert waren. Da es kein Riff mehr gab, konnten die großen Brecher ungehindert bis in die Bucht gelangen. Sie kamen in schrägem Winkel durch den nördlichen Arm herein, folgten der Krümmung der Küste und brachen sich am nackten Fels, bevor sie von den ruhigen Gewässern in der Südseite der Bucht, wo die Moro-Boote verankert waren, aufgenommen wurden. Doch war diese Ruhe trügerisch, denn die Strömung blieb auch dort sehr stark und schnell. In der Mitte der Bucht aber, gleich hinter dem Bogen, den die anrollende Brandung beschrieb, gab es eine Stelle, wo das Wasser so ruhig war, daß man darin schwimmen konnte.
Unmittelbar hinter Modestys Ruheplatz stieg das Kliff etwa zehn Meter hoch zu einem Plateau an, wo eine dürftige Grasnarbe auf der dünnen Humusschicht vegetierte. An die 200 Meter vom Klippenrand entfernt stand das Haus.
Es verdankte sein Dasein der verrückten Laune eines spanischen Aristokraten, der es gegen Ende der dreihundertjährigen spanischen Herrschaft über die Philippinen hatte erbauen lassen. Einer jener entlegenen und einsamen Wohnsitze, für die reiche Exzentriker eine Vorliebe haben, war es auch während der folgenden 50 Jahre der amerikanischen Herrschaft instand gehalten und von Zeit zu Zeit bewohnt worden. Die Japaner hatten es als Unterkunft für ihre kleine Artillerieeinheit verwendet, und nach dem Krieg war es von einem reichen Malaien gekauft und restauriert worden, der aber nach ein, zwei Jahren den Gefallen daran verloren hatte.
Nun bot es Seff einen neuen Unterschlupf. Der Grundriß dieses Hauses war T-förmig; von der langen Front aus überblickte man die See, während der über dem Fuß dieses T errichtete Trakt in eine breite Schlucht des unmittelbar
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