Modesty Blaise 05: Die Goldfalle
etwas für mich?» Tarrant langte nach seinem Aktenkoffer. Er nahm eine Landkarte heraus und entfaltete sie. «Es hat eine Weile gedauert, bis das Heeresministerium das herausgerückt hat, aber das Warten hat sich gelohnt. Sie haben saubere Arbeit geleistet.» Die Karte zeigte einen Teil von Ruanda, in großem Maßstab, sehr ausführlich in Farben gezeichnet, mit Höhenlinien, Straßen, Wegen und Flüssen sowie einer Legende zu den Geländeformen.
«Seit Sie mir eben Brunels Geschichte erzählt haben», fuhr Tarrant fort, «habe ich mich insgeheim über einen Witz des Schicksals amüsiert. Der verstorbene Genosse Nowikow mag Sinn für Humor gehabt haben oder auch nicht, aber sein Sinn für Taktik hat eine amüsante Situation geschaffen.» Er rückte auf der Couch neben Modesty, breitete die Karte aus und zeigte mit einem silbernen Drehbleistift auf ein Gebiet, in dem mit gestrichelten Linien ein annähernd rechteckiges Stück Land bezeichnet war, das nach dem Maßstab sieben mal drei Kilometer groß war. Innerhalb der gestrichelten Grenzen, nahe am Nordrand des Gebietes, war ein kurzes, dickes Kreuz in Rot eingezeichnet worden.
«Die Grenze bezeichnet Brunels Besitz in Ruanda», sagte Tarrant. «Er nennt ihn Bonaccord.»
«Das soll wohl ein Scherz sein?»
«Nein. Ich gebe zu, es klingt unwahrscheinlich, aber Brunel ist sehr auf die Wahrung seines Ansehens in Ruanda bedacht, deshalb der Name, kein Zweifel. Sie wissen, daß er unter der Maske des Wohltäters dort so etwas wie ein kleiner Königsmacher ist? Oder vielleicht sollte ich besser Regierungsmacher sagen.»
Sie nickte. «In einem sehr kleinen und ziemlich armen Land dürfte das nicht allzu schwierig sein. Wenn man ein halbes Dutzend Leute in Schlüsselpositionen in der Tasche hat, hat man auch die anderen.»
«Genau. Und jetzt kommt der Witz. Das rote Kreuz bezeichnet den Schnittpunkt von Nowikows Koordinaten. Dort liegt vermutlich das Zentrum der Goldmine, ein Tal, nach den Höhenlinien zu schließen, wie man es ja für eine Aufschwemmung erwarten würde. Und jetzt kommt der springende Punkt –
es liegt auf Brunels Grund
.
Den er auf vierzig Jahre gepachtet hat, mit allen Nutzungsrechten. Ich habe das nachprüfen lassen.»
«Mein Gott», sagte Modesty leise. Sie studierte die Karte ein paar Sekunden lang und lachte, aber als sie aufschaute, waren ihre Augen ernst. «Wenn Brunel Nowikow nicht schon vorher umgebracht hätte, hätte er es bestimmt hinterher getan, sobald ihm aufgegangen wäre, daß man ihm etwas verkauft hatte, was er schon besaß.»
«Ich neige dazu, Ihnen zuzustimmen. Aber ich muß Ihnen noch etwas erzählen. Es ist nicht wichtig, aber immerhin interessant. Als ich auf diese Karte wartete, sah ich mich nach einem Mann um, der das Land gut kennt, und fand einen an der belgischen Botschaft, der vor 1962 mehrere Jahre in dem damaligen Ruanda-Urundi gearbeitet hat, als es noch ein belgisches Mandat war. Er war nie auf Bonaccord gewesen, aber er war mehrmals ganz in der Nähe vorbeigekommen. Er war nur einmal mit Brunel zusammengetroffen und hatte ihn ganz sympathisch gefunden.»
Tarrant legte wieder seinen Bleistift auf die Karte.
«Ich fragte ihn über die Geländestruktur rings um dieses Gebiet aus, einschließlich dieser beiden Höhenzüge hier, zwischen denen Nowikows Goldmine liegt. Er sagte mir, daß die Hügelketten Teile eines recht seltsamen Naturphänomens seien. Die eingeborenen Watussi haben einen Namen dafür, den ich beim besten Willen nicht aussprechen kann, der aber sinngemäß etwa ‹Die Unbezwingbare Jungfrau› bedeutet.»
Modesty grinste ihn an. «Sicher haben Sie ihn gefragt, warum?»
«Ja. Er erklärte, daß die langgestreckten Höhenzüge sich beide in der Mitte zu einer Art Buckel erheben. Dann laufen sie zusammen, so daß das Tal an einem Ende geschlossen ist. Jenseits dieser Verbindungsstelle ist relativ flaches Gelände, und dann kommen zwei kleine vulkanische Berge, hier und hier.» Er zeigte mit dem Bleistift darauf. «Und schließlich ist da noch eine größere, stärker abgerundete Erhebung. Offenbar bietet all das zusammen, wenn man von einem erhöhten Standpunkt aus nach Norden schaut, einen recht eigenartigen Anblick.»
«Moment mal.» Sie nahm die Karte und studierte die Höhenlinien. «Ja, ich sehe schon. Es ist wie eine riesige Frau, die auf dem Rücken liegt, die Beine gespreizt und die Knie ein wenig hochgezogen, dort, wo die Höhenzüge sich zu zwei Buckeln erheben. Diese kleinen Berge sind
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