Modesty Blaise 05: Die Goldfalle
meine die Muskulatur. Ich hab mal eine Leiche seziert, die war fast genauso gut, aber deiner ist besser. Ich geb dir mein Wort darauf.»
Modesty sagte: «Und du hast seither die ganze Zeit mitgespielt, Willie?»
«Ja. Am nächsten Tag bestand sie darauf, sich nützlich zu machen. Wir verstanden uns prächtig. Ich ging mit ihr zu Abend essen, und in dieser Nacht landete sie in meinem Zimmer. Und seitdem jede Nacht.»
«Es war verdammt leichtsinnig von dir, ein solches Risiko einzugehen.» Ihre Stimme klang scharf.
Am anderen Ende grinste Willie vor sich hin.
Manchmal verfiel sie in alten Gewohnheiten aus der Zeit, als sie noch die straffe, glatt funktionierende Organisation «Netz» geleitet hatte. Mehr als einmal, besonders während der ersten Jahre mit ihr, hatte sie ihm die Hölle heißgemacht, weil er unnötige Risiken eingegangen war. Es machte ihm nichts aus, wenn sie ihn gelegentlich noch einmal anfuhr. Das weckte schöne Erinnerungen.
«Sie ist mir nachgelaufen, Prinzessin», sagte er ernsthaft, «obwohl es ihr gelang, es so hinzustellen, als sei das Gegenteil der Fall. Wenn ich deshalb meine Tür zugesperrt hätte, hätte sie gewußt, daß ich ihr auf die Schliche gekommen bin. Außerdem habe ich aufgepaßt.» Er kicherte. «Wenn sie mich hätte umbringen wollen, dann hätte sie es schon mit vergifteten Zehennägeln oder so machen müssen. Sie hat nichts an im Bett, und wenn sie sich auch nur aufsetzt, wache ich regelmäßig auf. Du weißt, ich kann mit halbgeöffneten Augen schlafen.»
Modesty überlegte. Willie hatte eine unglaubliche Spürnase für Gefahr. Und wenn es ihm recht war …
Am Rande hörte sie, wie Pennyfeather sagte: «Man behauptet, es sei die schönste Rundung des weiblichen Körpers, und ich muß schon sagen …»
«Sei mal einen Augenblick still, Giles», gebot sie und sagte dann ins Telefon: «Ja, ich glaube, es ist nichts dabei. Du mußt es selbst am besten wissen, aber paß auf dich auf, Willie.»
«Sicher. Der springende Punkt ist, daß sie anscheinend nicht den Auftrag hat, mich aus dem Weg zu räumen.»
«Was denn?»
«Kann ich mir auch nicht denken. Ich habe dich nicht schon früher angerufen, weil ich dachte, es würde sich was ergeben, und dann hätte ich dich ins Bild setzen können.»
«Und das war nicht der Fall?»
«Bis jetzt nicht. Meinst du, ich sollte ihr mal ein bißchen auf den Zahn fühlen? Ich meine, ich könnte durchblicken lassen, daß ich sie durchschaut habe, und sehen, wie sie reagiert.»
Nachdenklich sagte Modesty: «Möglicherweise ist ihr bekannt, daß du weißt, zu wessen Team sie gehört. Solche Mädchen trifft man nicht alle Tage.»
«Das habe ich mir auch schon gedacht, aber ich hätte es ja nicht gewußt, wenn es nicht Fraser dieses eine Mal erwähnt hätte, als wir in
The Legend
waren. Brunel hält sie ziemlich im Hintergrund.»
«Das stimmt. Ich glaube, du machst erst mal so weiter wie bisher, Willie. Wenn du anfängst, Fragen zu stellen, decken wir unsere Karten auf. Warten wir lieber, bis sie die ihren aufdeckt.»
Sie hörte ihn lachen. «Ich bin froh, daß du das gesagt hast. Sie ist ein sehr vielseitiges Mädchen. Es macht mir riesigen Spaß mit ihr.»
«Wie schön für dich. Aber was hältst du eigentlich von ihr?»
Er besann sich lange, bevor er antwortete. Dann:
«Ich bin in meinem ganzen Leben noch aus niemandem so wenig schlau geworden, Prinzessin. Man hat den Eindruck, daß ihr eigentliches Ich, ihre wirkliche Persönlichkeit, so tief verschüttet ist, daß sie nicht einmal selbst rankommt. Manchmal ist es fast, als hätte sie Angst davor. Aber an der Oberfläche kann sie alles sein, was sie möchte. Ich kann nur die Rolle sehen, die sie spielt, nicht aber, was sich darunter verbirgt. Du weißt doch, was ein Android ist?»
«Ich habe auch schon Science-fiction gelesen, Willie. Jemand, der wie ein Mensch aus Fleisch und Blut aussieht, im Innern aber ein Roboter ist. Ein Homunkulus.»
«Genau. Also, bei jeder Reaktion von ihr hat man das Gefühl, daß lediglich ein bestimmter Stromkreis eingeschaltet wird. Oder sagen wir, bei fast jeder Reaktion.»
«Fast?»
«Da ist eine Sache. Hör mal, du glaubst doch nicht, daß ich dir was vormachen will?»
«Ich? Um Gottes willen, Willie.»
«Also gut. Ja, sie hat natürlich einen Haufen Männer gehabt, aber ich glaube nicht, daß sie bis jetzt gewußt hat, wie schön es eigentlich sein kann, mit einem Mann zusammen zu sein. Und das hat sie aus der Fassung gebracht. Sie kann es
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