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Modesty Blaise 05: Die Goldfalle

Modesty Blaise 05: Die Goldfalle

Titel: Modesty Blaise 05: Die Goldfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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Seine Stimme klang fremd und sehr laut in der Stille, die jetzt wieder in der Kabine herrschte, nachdem die Tür geschlossen worden war.
    «Er hat es eigentlich nicht verdient, noch am Leben zu sein», meinte Brunel trocken. «Und für dich gilt dasselbe, Adrian. Wenn ich denke, daß du von mir die Erlaubnis wolltest, in einem offenen Kampf mit deinem Messerchen auf Garvin loszugehen …» Er schüttelte den Kopf und sah dann Modesty an. «Jetzt wird mir klar, warum Sie in der Vergangenheit so erfolgreich waren.»
    Mit zitternder Stimme sagte Pennyfeather sehr laut:
    «Oh, Sie Schwein! Sie stinkendes, mordgieriges, viehisches Schwein!»
    «Wir sind alle Tiere, Dr. Pennyfeather. Nur machen die meisten Leute den Fehler, zeit ihres Lebens etwas Besseres sein zu wollen. Ich bin diesem törichten Irrtum nie verfallen. Ich mußte mir Garvin vom Hals schaffen, und ich habe es getan.» Er nahm sein Buch zur Hand. «Falls es Sie interessiert, keiner von Ihnen beiden wird den gleichen Weg gehen. Würden Sie als Arzt die Güte haben, meinen bewußtlosen Kollegen zu versorgen, wenn wir Sie für ein paar Minuten aus Ihrer Zwangsjacke befreien? Wir haben Ihren Arztkoffer mitgenommen, und Sie stehen doch unter dem Eid des Hippokrates, nicht wahr?»
    Pennyfeathers Gesicht war grau. «Wenn ich an Sie rankäme», fauchte er, «würde ich alles daransetzen, Sie umzubringen, Brunel.»
    «Wie Sie möchten.» Brunel schaute sich um und sagte: «Sieh zu, was du für ihn tun kannst, Adrian.» Er schlug sein Buch auf und begann zu lesen. Neben ihm saß das Mädchen mit den Händen vor dem Gesicht, und ihr Körper zitterte.
    Modesty hatte den Wortwechsel nur am Rande mitbekommen. Ihre Augen waren geschlossen, ihr Gesicht hätte aus weißem Marmor gemeißelt sein können.
    Auf der Zunge hatte sie den salzigen Geschmack von Blut. Irgendwann während des Kampfes hatte sie sich die Lippe durchgebissen. Willie Garvin war tot, und der Kummer darüber war der stärkste Schmerz, den sie je empfunden hatte. Sie atmete langsamer und überließ sich willenlos dem Schmerz, lehnte sich nicht gegen ihn auf, denn sie wußte, sie würde zusammenbrechen, wenn sie es versuchte. Und sie konnte Brunel nicht zusehen lassen, wie sie zusammenbrach. Das war sie Willie schuldig.
    Dann endlich wurde sie still und versank in einer unbewegten See des Schmerzes. So blieb sie lange Minuten hindurch, und dann ließ sie müde die kleinen, brennenden Dolche in ihr Bewußtsein eindringen, die Gedanken, denen sie sich stellen und die sie bewältigen mußte.
    Willie war tot, und sie war wieder allein, nicht nur jetzt, in diesem Augenblick, sondern für alle Zukunft.
    Wenn es eine Zukunft gab. Allein. Es würde keinen zweiten Willie Garvin mehr geben. Sinnlos, sich dieser Wahrheit zu verschließen. Sie mußte sich jetzt damit abfinden, mußte an ihn denken, an Willie und sich selbst, an all die Jahre, die sie miteinander verbracht hatten.
    Sie zwang sich, an den Anfang zurückzugehen und an die frühen Tage zu denken, die Tage vor Willie Garvin, als sie, kaum zwanzig Jahre alt, eine expandierende Organisation von harten Männern geleitet hatte, von Verbrechern aller Art. Wenn sie heute zurückblickte, konnte sie sich kaum selbst wiedererkennen.
    Sie war härter gewesen als jeder von den Männern, die für sie gearbeitet hatten, denn sonst hätte sie sie niemals beherrschen können. Daß sie ihre eigenen Regeln aufstellte und bestimmte einträgliche, aber bösartige Verbrechenszweige nicht duldete, hatten ihr manche als Schwäche ausgelegt, und sie hatte es für nötig befunden, sie eines Besseren zu belehren. Mit wachsendem Erfolg war die Aufgabe leichter geworden. Mit der Zeit war es eine Auszeichnung geworden, für das «Netz» zu arbeiten. Die alten Hasen waren schnell bei der Hand, jedem einen Dämpfer aufzusetzen oder ihn hinauszuwerfen, wenn er sich nicht an die Regeln halten wollte, die sie aufgestellt hatte. Sie gehörten zu einer siegreichen Mannschaft, und sie wollten das Erreichte nicht aufs Spiel setzen. Sie hatte ein paar gute Leute gefunden, denen sie vertrauen konnte, aber kein einziger von ihnen hatte sie verstanden, hatte sein Wesen nahtlos mit dem ihren zusammengepaßt. Bis dann Willie Garvin aufgetaucht war.
    Stechender Schmerz durchzuckte sie, aber sie zwang sich, in ihren Erinnerungen fortzufahren. Sie hatte ihn aus einem Gefängnis in Saigon geholt, einen verkommenen Landstreicher mit einem Haß auf die ganze Welt; einen Mann mit so vielen Fähigkeiten und

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