Modesty Blaise 05: Die Goldfalle
Benehmen zu finden.
Ah! Dort waren die beiden Kerle, die Modesty in Kalimba fertiggemacht hatte. Und dieses weißhaarige Mädchen mußte das sein, von dem Willie gesprochen hatte. Und dort saß Willie selbst auf einen Stuhl geschnallt. Ziemlich makaber. Alles war ziemlich makaber, alle saßen sie bloß da und sagten nichts, kümmerten sich nicht um die anderen. Gott, war ihm das alles zuwider. Modesty und Willie mußten irgendwas falsch gemacht haben. Trotzdem, wenn man wußte, was für ein Schwein dieser Brunel war, konnten sie von Glück reden, daß sie nicht schon alle tot waren. Warum war ihm Modesty so über den Mund gefahren? Pennyfeather suchte nach des Rätsels Lösung. Ja, irgendwie war es vernünftig. Man konnte Brunel nicht gut fragen, was er als nächstes vorhatte. Es würde zu nichts führen, und es würde aussehen, als hätte man Angst. Na ja, er
hatte
ja auch Angst, natürlich. Das alles konnte einem ja auch Angst einjagen. Trotzdem war es besser, sich nichts anmerken zu lassen. Ja, das leuchtete ihm ein. Er hatte schon manchmal ganz schön Angst gehabt, vor einem chirurgischen Eingriff, mit dem er sich nicht auskannte, draußen in Kalimba. Aber man ließ es sich nicht anmerken. Man durfte es nicht einmal sich selbst eingestehen. Und das hier war ganz ähnlich, wenn man es genau bedachte. Also gut.
Pennyfeather gähnte absichtlich und lehnte sich in seinem Sitz zurück. Er glaubte nicht, daß er sich schlafend stellen könne, beschloß aber, nach etwas zu suchen, worüber er nachdenken konnte. Sehr hübsch, das Albino-Mädchen. Ein bißchen dürr, aber das Kleid stand ihr gut. Sie mußte ziemlich raffiniert sein, daß sie Willie Garvin hatte hereinlegen können. Dabei sah sie gar nicht raffiniert aus. Sie sah aus wie ein Mädchen kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Viel zu verkrampft. All die kleinen Anzeichen waren da. Vielleicht hatte sie einen Komplex, weil sie ein Albino war. Ah, Albinismus. Was wußte er darüber noch aus seinen medizinischen Fachbüchern? Damit konnte er sich beschäftigen …
Das Flugzeug dröhnte dahin. Etwas später legte Brunel sein Buch weg und nahm ein kleines Mikrofon in die Hand, das in seine Armlehne eingebaut war. Er sprach so leise hinein, daß Pennyfeather es kaum hören konnte, aber er bildete sich ein, daß er französisch sprach. Er stieß Modesty an, und sie öffnete die Augen. Brunel legte das Mikrofon zurück und schaute aus dem Fenster.
Modesty schaute zu Willie hinüber. Er hatte sich so weit er konnte darauf vorbereitet, sich aus der Zwangsjacke zu befreien. Er hatte die geringste Nachgiebigkeit des Materials bis zum letzten ausgenutzt, und sie wußte, daß ihm das Atmen schwerfallen mußte, weil seine Arme jetzt stärker gegen seine Brust gepreßt wurden, aber es war ihm nichts anzumerken.
Die Dakota verlor Höhe, und Modesty fragte sich, weshalb. Sie konnte natürlich nicht wissen, wann sie gestartet waren. Brunel hatte ihre bewußtlosen Körper zu irgendeinem Flugplatz schaffen müssen – oder wahrscheinlich zu einem stillgelegten Rollfeld. Das mußte eine Weile gedauert haben. Sie hatte einen geradezu unheimlichen Ortssinn, und dieser hatte ihr, als sie aufwachte, gesagt, daß sie noch über Frankreich waren.
Sie schätzte, daß die Maschine jetzt über der Südküste war oder sich zumindest näherte. Wenn sie nach Ruanda flogen, würden sie mindestens zweimal zwischenlanden müssen, um aufzutanken, selbst wenn das Flugzeug Zusatztanks hatte, aber bestimmt würden sie mit der ersten Etappe Nordafrika erreichen. Trotzdem ging die Maschine niedriger.
Sie durchbrachen die Wolkendecke, und Brunel murmelte wieder etwas in das Mikrofon. Die Maschine neigte sich zur Seite und änderte den Kurs. Sie flogen jetzt Richtung Osten. Nein, es ging noch weiter in die Kurve. Die Maschine flog eine langgezogene Ellipse mit Ost-West-Achse und behielt ihre Höhe. Modesty konnte durch das Fenster auf der anderen Seite der Kabine auf die vom ersten Dämmerlicht erhellten grauen und braunen Berge hinunterschauen. Sie sah unregelmäßige Flecken von Grün. Dort ein kleines Dorf, am Ende des schmalen, gewundenen Bandes einer Straße.
Zu ihrer Rechten sah sie jetzt dünne weiße Streifen, die weiter oben mit den Schneefeldern der Berggipfel verschmolzen. Die Provence, von der aus sich die Ausläufer der Seealpen nach Süden erstreckten. Sie war ganz sicher.
Wartete Brunel auf irgendein Signal vom Boden?
Hier gab es keinen Landeplatz, nur rauhes Gebirgsland mit ein paar
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