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Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten

Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten

Titel: Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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gingen zum Parkplatz eines Kinos, wo sie ihren Škoda stehen gelassen hatten.
    Als sie im Auto saßen und die Türen geschlossen waren, lehnte sich Willie genüßlich in seinem Sitz zurück. Seine Hände ruhten auf dem Lenkrad; er sah zutiefst befriedigt aus und lächelte träumerisch. «Psalm 18, Vers 10», murmelte er. «Ja, er flog auf den Flügeln des Windes.» Er nahm ihre Hand und legte sie einen Augenblick lang an seine Wange. Es war sein Gruß an sie, sein Ritterschlag, Sie seufzte tief und gekränkt. «Sie lieben mich nicht um meiner selbst willen, Herr Jorgensen! Nur wegen meiner verrückten Ideen.»
    Er schüttelte den Kopf. «Es hat geklappt. Es war ein Knüller … ein echtes Vierzig-Karat-Meisterstück.» Er kicherte vor sich hin, und seine Stimme sank zu einem heiseren, eindringlichen Flüstern herab, die gedämpfte Nachahmung eines Zirkusausrufers. «Meine Dameen und Herreen! Wir stellen Ihnen vor! Einmalig auf der Welt! Der mächtige Zwerg! Der großartige, atemberaubende Bakteriologe … Professor Okubo – die menschliche Kanonenkugel!»
    Er verschluckte sich vor Lachen. Selten noch hatte sie ihn so vergnügt gesehen. «Um Himmels willen, vergiß es und sei für die nächsten 24 Stunden Herr Jorgensen, Willie, Liebling. Dann sind wir draußen.»
    Er nickte und beherrschte den fröhlichen Übermut, der ihn erfaßt hatte. «Ja, heraus», sagte er. «Ich will heraus, Prinzessin. Ich brauche Freiheit zum Lachen.»
    Drei Tage später saß Tarrant wieder einmal im Büro des Ministers.
    Waverly war bester Laune. «Fraser berichtete, daß Sie den Mann gut herausgebracht haben», sagte er, «aber er gab keine Details. Gratuliere, Tarrant.»
    «Damals gab es keine wesentlichen Details zu berichten», sagte Tarrant. «Und jetzt werden Sie, fürchte ich, enttäuscht sein. Der Mann war nicht Okubo.»
    Waverly starrte ihn an. «Wie bitte?»
    «Es war nicht Okubo. Ich prüfte als erstes seine Identität. Es dauerte 24 Stunden, da wir jemanden holen mußten, der Okubo persönlich kennt.»
    Waverly sah zutiefst erschüttert aus. «Und … er war es nicht? Ich verstehe nicht.»
    «Okubo ist immer noch in Rußland und war es immer. Der Mann, der vorgab überzulaufen, war ein japanischer Agent namens Yoshida, der für General Starow arbeitet. Eine Falle. Starow verließ sich auf die Tatsache, daß für uns ein Japaner aussieht wie der andere. Und so ist es ja auch. Er inszenierte die ganze Chose, um uns zu ködern. Hoffte, daß wir unser ruhendes Netz aktivieren und vor Yoshida ausbreiten würden.»
    «Du guter Gott», sagte Waverly leise.
    «Ja. Damit wären wir dort erledigt gewesen. Zum Glück aktivierte ich das Netz nicht. Ich konnte mit zweien meiner Freunde eine inoffizielle Abmachung treffen, und die beiden haben einige Erfahrung in diesen Dingen.»
    «Freunde von Ihnen?»
    Tarrant erlaubte sich ein schwaches Lächeln. «Ich habe Freunde, Herr Minister.»
    «So habe ich es nicht gemeint. Ich meinte –»
    «Ich kann Ihnen nicht sagen, wer sie sind», unterbrach Tarrant trocken, «sie stehen nicht in unserem Dienst und sie waren nicht angeworben.»
    Waverly blickte ihn an. «Ich finde das sehr verwirrend. Menschen riskieren im allgemeinen ihr Leben nicht zum Spaß.»
    «Es ist ungewöhnlich, ja», stimmte Tarrant zu und beließ es dabei. «Sie begannen Okubo zu verdächtigen, als ihr erster Fluchtplan in die Binsen ging. Er lehnte im letzten Augenblick ab mitzumachen und bestand auf einer großangelegten Sache. Wären sie sicher gewesen, daß er ein Betrüger ist, hätten sie ihn einfach getötet, denn unser Kontaktmann dort – er versteckt gefährdete Leute in seinem Haus – war bereits exponiert. Doch sie konnten Okubo nicht identifizieren, also brachten sie ihn heraus.» Tarrant hielt inne, damit Waverly die Mitteilung verdauen könne, dann fuhr er fort: «Zum Glück schluckte er, kurz nachdem wir ihn in West-Berlin identifiziert hatten, Zyankali.»
    Waverly begriff, daß die letzte Mitteilung wahr sein mochte oder auch nicht. Man konnte den Mann nicht ewig festhalten, und solange er am Leben war, blieben der Agent und sein Haus gefährdet. Wenn Yoshida sich nicht selbst getötet hatte, dann hatte Tarrant ihm die Arbeit abgenommen. Waverly verspürte innerlich ein Frösteln und begriff zum erstenmal mit unerbittlicher Klarheit, wie bedrückend schwer Tarrants Aufgaben waren.
    Er sagte: «Ich muß mich bei Ihnen entschuldigen. Die Instruktionen, die ich Ihnen gab, beruhten auf einer Fehleinschätzung der

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