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Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten

Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten

Titel: Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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doch wurde die Reise dadurch um einen vollen Tag verlängert. Die Bergstraße war ein vernünftiger Kompromiß.
    Auch Modesty und Willie hatten diese Straße nehmen wollen, jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, als Willie um acht Uhr morgens zu Fuß von der Garage zurückkehrte. Etwas beschämt sagte er: «Ich habe einen Bock geschossen, Prinzessin. Ich gab gestern unseren Wagen zum Service.»
    «Ist etwas Schlimmes passiert?»
    «Schlimm genug. Sie fuhren ihn auf die Rampe und vergaßen, die Handbremse anzuziehen oder einen Gang einzuschalten. Er rollte daher wieder am anderen Ende der Rampe hinunter.»
    Modesty zuckte zusammen. Der Wagen war ein Mercedes. «Direkt hinunter?»
    «Nein. Nur die Vorderräder. Dann fuhr er auf.»
    Sie seufzte. «Wie lange dauert die Reparatur?»
    «Sie rechnen mit sechs bis sieben Stunden.»
    «Das ist zu lang, Willie, Liebling. Ich will mittags in San Tremino sein oder spätestens kurz danach.»
    García lag in Tremino im Sterben. Seine Tochter hatte Modesty nach England gekabelt, aber sie befand sich gerade mit Willie Garvin in Buenos Aires. Ihr Hausboy Weng hatte das Kabel weitergeleitet, und knapp eine Stunde nach Erhalt der Nachricht hatten Modesty und Willie sich auf den Weg gemacht.
    García, der jetzt mit sechzig Jahren im Sterben lag, nahm in Modestys Vergangenheit einen ganz besonderen Platz ein. Sie waren beide Mitglieder der LoucheGruppe gewesen, jener kleinen Verbrecherbande in Tanger, für die Modesty siebzehnjährig das Glücksrad im Casino betätigt hatte. Als Louche von den Gewehrschüssen einer rivalisierenden Gang erledigt wurde, übernahm Modesty das Kommando über die verschreckten Männer seiner Gruppe und hielt sie zusammen. Es war nicht einfach gewesen. Nur García hatte sie unterstützt – mit Worten, Fäusten und Gewehr. Mit seiner Hilfe hielt sie die Gruppe beisammen, flößte ihr frischen Mut ein und schmiedete sie schließlich zu einer neuen Einheit um. Das war der Beginn des «Netzes», das in wenigen Jahren zu der erfolgreichsten Verbrecherorganisation außerhalb der USA wurde.
    Und jetzt lag García in seiner Heimatstadt San Tremino im Sterben, wohin er sich als reicher Mann zurückgezogen hatte, als Modesty «Das Netz» auflöste. Es würde ihn glücklich machen, sie noch einmal vor seinem Tod zu sehen, stand im Kabel.
    Das Malheur mit dem Wagen in Orsita war zum Aus-der-Haut-Fahren. Der Gedanke an einige Stunden Verzögerung machte sie wütend. Zu mieten gab es nichts. Das Hauptverkehrsmittel der Stadt waren kleine, von Eseln gezogene Wägelchen.
    «Ich werde sehen, daß mich der Schulbus mitnimmt, Willie», sagte sie. «Du kommst mit dem Wagen nach, sobald er fertig ist.»
    «Okay. Glaubst du, es wird dem Priester recht sein?»
    «Es ist nicht anzunehmen, daß ich seine kleine Herde zwischen hier und San Tremino verderbe. Außerdem gibt es ihm die Möglichkeit, den guten Samariter zu spielen.»
    Reverend Leonard Jimson hatte eingewilligt. Als sie ihn ansprach, musterte er sie mit mißtrauischem Blick und starrte sie ungläubig an, als sie ihren Namen nannte. Sein Ausdruck hatte sie erstaunt, doch jetzt war ihr Erstaunen verflogen; nach zehn Minuten Busfahrt neben ihm wußte sie die Erklärung.
    Sie war ausgerechnet auf einen Priester gestoßen, der ziemlich genau über sie Bescheid wußte. Schon seine ersten Worte im Bus ließen darüber keinen Zweifel. «Wir haben einen gemeinsamen Bekannten, Miss Blaise. Ich glaube, Sie kennen Michael Delgado?»
    «Früher einmal, ja.» Sie sagte Jimson nicht, daß Mike Delgado tot war. Daß sie in einem Tal in Afghanistan vor seinem Gewehrlauf gestanden hatte, während er sie verhöhnte, weil ihr Tod bereits besiegelt war. Daß sie ihn, während seine Kugel ihren Arm zerfetzte, blitzschnell erschossen hatte. «Ich habe ihn seit einigen Jahren nicht mehr gesehen», sagte sie.
    «Ich seit drei Jahren nicht mehr.» Jimson schien sich darüber grimmig zu freuen. «Ich hatte das Pech, in Rio fast zwei Wochen mit ihm in einem Spital zu verbringen, als er bei einem Autounfall verletzt wurde. Wir hatten benachbarte Betten. Er ist ein schlechter Mensch, Miss Blaise. Ein Mann der Gewalt. Und abgesehen von seinen eigenen Abenteuern machte es ihm Spaß, mir sehr viel von
Ihnen
zu erzählen … besonders als er merkte, wie sehr mich seine Erzählungen betrübten.»
    «Vermutlich übertrieb er. Sie waren ein idealer, praktisch wehrloser Zuhörer, und ich zweifle nicht, daß er seine Berichte entsprechend ausschmückte, um einen Mann

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