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Modesty Blaise 09: Die Lady fliegt auf Drachen

Modesty Blaise 09: Die Lady fliegt auf Drachen

Titel: Modesty Blaise 09: Die Lady fliegt auf Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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kam tief herangeflogen und zog eine Kurve über dem Segelboot. Wenn sie den Kopf hob und ein Auge öffnete, konnte sie die Stützschwimmer und die Spalten des Bremsgitters unter dem Rumpf sehen. Das Flugboot ging aus der Kurve und winkte mit den Flügeln. Eine Aldislampe flammte auf. Da-dit-da-dit, ditdit-da.
    «C. U. Sehe Sie.» Eine momentane Feststellung oder ein Versprechen für die Zukunft? Sie zuckte im Geist die Achseln und döste weiter. Zwei Minuten später strich das Flugzeug nochmals über die
Wasp
, aber diesmal rührte sie sich nicht, und bald hörte sie nichts mehr außer den vertrauten Geräuschen der See und ihres kleinen Bootes.

4
    Der Mann, der auf dem Gehweg in einem Wohnviertel westlich von Sloterpark stand, war wie für den Karneval oder für ein Kostümfest angezogen, obwohl man sich schwer vorstellen konnte, wo so etwas an einem Wochentag zu Mittag in Amsterdam stattfinden sollte.
    Er trug einen weißen Stetson, ein kariertes Hemd, Cowboystiefel und einen offensichtlich falschen Schnurrbart. Er hatte ein längliches Gesicht mit aufgedunsenen Wangen. Unter der Krempe des Stetson lugte eine schwarze Haarsträhne hervor. An der rechten Hüfte baumelte ein Revolver in einem Halfter. Fußgänger und vorbeifahrende Radfahrer warfen dem Mann erstaunte Blicke zu, aber ihre Aufmerksamkeit wurde nur kurz gefesselt, denn die Holländer kümmern sich nicht um die Angelegenheiten anderer Leute.
    Ein Polizist, der den Cowboy sah, war der Meinung, daß er sich den Mann etwas näher ansehen sollte.
    Da er ihn für einen Amerikaner hielt, sagte er auf englisch: «Guten Morgen. Bitte zeigen Sie mir Ihren Revolver, damit ich mich überzeugen kann, daß es sich um keine echte Waffe handelt.» Der Cowboy starrte ihn einen Moment lang mit wildem Blick an.
    Seine Hand bewegte sich; plötzlich hielt sie den Revolver und ließ ihn um den Mittelfinger rotieren. Der Polizist sah den Kerl unsicher an und fragte sich, ob er es vielleicht mit einem Schauspieler aus einem Filmteam zu tun hatte, das eine jener verrückten amerikanischen Komödien drehte. Der Cowboy wich langsam zurück. Hinter ihm war eine Häuserreihe mit Terrassen; zu jeder der Haustüren führten vier Stufen. Immer noch rotierend wechselte der Revolver von seiner Rechten in die Linke und wieder zurück. Jetzt blieben die Leute stehen, um zuzusehen, und Verblüffung verbreitete sich unter den Zuschauern, als der Cowboy in die Luft feuerte. Natürlich war es eine blinde Patrone, aber trotzdem …
    Der Polizist machte einen Schritt vorwärts und sagte: «Stop!»
    Im gleichen Moment fiel ein zweiter Schuß. Eine Straßenlampe ging in Scherben. Schreie der Angst und des Protests wurden laut, und die Leute wichen plötzlich zurück. Ein weiterer Schuß krachte. Ein Junge auf einer Honda fiel zur Seite, als sein vorderer Reifen platzte. Der Polizist rief der Menge zu, zurückzutreten, er selbst griff nach dem Halfter an seiner Hüfte.
    Der Revolver des Cowboys hörte auf sich zu drehen, und im selben Moment feuerte er ein letztes Mal. Der Polizist brach zusammen, und sein Kopf schlug mit einem häßlichen Geräusch gegen das Pflaster.
    Ungläubiges Schweigen trat ein, dann schrie ein Mädchen auf, und ein Gewirr von erschreckten, ärgerlichen, empörten Stimmen wurde laut. Der Cowboy drehte sich um, stieg die Treppe zu einer Haustür hinauf, öffnete die Tür und verschwand im Haus. Die Tür schloß sich hinter ihm. Das Stimmengewirr verstummte eine Sekunde, um gleich darauf noch lauter zu werden.
    Ein paar Leute drängten sich um den Polizisten. Ein junges Mädchen, das erklärte, Krankenschwester zu sein, kniete neben ihm nieder, befahl ein paar Männern, die Menge zurückzuhalten und ein Telefon zu suchen. Nach etwa dreißig Sekunden versuchten zwei junge Männer die Haustür zu öffnen, stellten fest, daß sie verschlossen war und hämmerten gegen die Tür.
    Vier Minuten später trafen ein Polizeiauto und eine Ambulanz ein. Gleichzeitig trat aus einer Seitenstraße ein Mann im Priesterkleid. Es war ein dünner, hagerer Mensch mit eingefallenen Wangen, abgesehen von einem weißen Kragen ganz in Schwarz gekleidet. Unter dem flachen, runden Hut kam eine blaßblonde Haarsträhne zum Vorschein. In der Hand hielt er einen Stadtplan, und über seiner Schulter hing ein kleiner Rucksack.
    Ein Polizist lief an ihm vorbei, um die Hinterseite des Hauses zu erreichen, ein anderer sprach aufgeregt auf eine Frau ein, die vor dem benachbarten Haus stand, ein dritter

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