Modesty Blaise 10: Der Xanadu-Talisman
sofort hinüberzubefördern.«
Wieder sah der Prinz, die Hände auf die Hüften gestützt, aus dem Fenster. Diese außergewöhnliche Frau, die sich als Nannie Prendergast vorgestellt hatte, konnte also El Mico Befehle erteilen. Offensichtlich stand sie hinter der ganzen El-Mico-Organisation, und jetzt hatte sie mit dem Diebstahl der Pahlawi-Krone den großen Coup ihres Lebens gelandet. Es war einfach unglaublich, und er fand es irgendwie irritierend, dass einer Frau ein solches Bravourstück gelungen war. Es erschien ihm beinahe als Beleidigung – als würde er damit bis zu einem gewissen Grad entmannt.
Natürlich war das Geschäft selbst ausgezeichnet.
Zwanzig Millionen Dollar waren für ihn ungefähr die Ausgaben von acht Monaten. Eine Kleinigkeit. Und die Krone würde länger überdauern als das Öl, das länger überdauern würde als die Scheichs. In ein paar Jahren würde ihre Zeit vorbei sein, und dann, nach einer Weile, würde die Zeit des Öls vorbei sein. Xanadu aber würde überdauern, und dann würde die Pahlawi-Krone vielleicht … sicherlich eine halbe Milliarde Dollar wert sein. Bestimmt nicht weniger.
Ja, die Transaktion war großartig, und Nannie Prendergast war mit Recht stolz, sie durchgeführt zu haben.
Aber letztlich war sie eben doch nur eine Frau, und als solche musste man sie daran erinnern, dass ihre Gesetze in Xanadu nicht galten.
»Seien Sie so freundlich«, sagte Rahini bestimmt, »und geben Sie Anweisung, dass Miss Blaise und Mr. Garvin lebendig hierher gebracht werden, Miss Prendergast. Ich möchte sie kennen lernen und bin überzeugt, dass sie in Xanadu für einige Unterhaltung sorgen können, bevor man sie hinüberbefördert, wie Sie es ausdrücken.«
10
Das Zimmer war klein, das synthetische Material, das Fußboden und Wände bedeckte, härter als Gummi. Es gab weder Fenster noch Einrichtungsgegenstände. Die Tür hatte keine Klinke und konnte nur von außen geöffnet werden. Unten an der Tür war eine kleine Klappe, etwa neun Zentimeter tief und dreißig Zentimeter breit. In einer Ecke des Zimmers gab es eine Art Kammer mit einem Wasserhahn und einem Loch im Fußboden mit zwei Betontritten für die Füße: einen Abtritt.
Willie Garvin lag, halb aufgerichtet, auf dem Boden.
Modesty kniete neben ihm, stützte mit einem Arm seinen Kopf und seine Schultern und gab seinem Gesicht leichte Schläge. Ihre Kleidungsstücke lagen auf dem Boden herum. »Los, Willie«, sagte sie. »Wach auf.«
Ein festerer Klaps. »Los, versuch es. Streng dich an.«
Ihr Kopf war beinahe klar, nur ihr Mund schien völlig ausgetrocknet, und sie verspürte Übelkeit. Undeutlich wie ein Traum zogen Erinnerungen an ihr vorüber: hinten im Wagen, entweder im Range Rover oder im Scout, die Hände gefesselt. Das Bemühen, halb schlafend, halb wach, die schwere Betäubung abzuschütteln. Dann … Stimmen. Ein weiterer Nadelstich und wieder das Nichts. Das Geräusch eines anspringenden Motors. Zwei Geräusche. Ein zweiter Motor.
Mühsam versuchte sie, in ihrem Dämmerzustand die Bewusstseinsfragmente zusammenzusetzen. Zwei Männer. Willie, betäubt in dem anderen Fahrzeug. Herumgeschüttelt werden. Die holprige Bergstraße. Eine Brücke …? Sie konnte sich nicht erinnern. Sie erinnerte sich an den englischen Akzent der zwei Männer, an die Erregung in ihren Stimmen, das aufgeregte Lachen, das laute Sichbeglückwünschen, das ihr selbst in ihrem Zustand seltsam schuljungenhaft erschienen war.
Wieder versetzte sie Willie einen leichten Schlag und zwickte ihn fest ins Ohr. Unwillig bewegte er sich.
»Gut, so ist es besser, Willie, mein Lieber. Weiter, weiter …«
Er öffnete ein Auge und blinzelte sie an wie eine Eule, dann murmelte er: »Einen Moment, Prinzessin … noch eine Minute.« Das zweite Auge wurde mühsam geöffnet.
»So ist es gut, Willie, versuch dich zusammenzureißen. Du musst eine stärkere Dosis Valium oder was immer es war, bekommen haben, als sie uns nochmals betäubt haben. Hörst du mir zu? Ich glaube, wir sind in Xanadu, und ich bin verdammt sicher, dass wir uns in größeren Schwierigkeiten befinden. Versuch dich aufzusetzen.«
Von ihrem Arm unterstützt, richtete er sich langsam auf, hob den Kopf von ihrer nackten Schulter und starrte verwirrt auf die diversen verstreuten Kleidungsstücke. Dann lehnte er sich vor, fiel auf Ellbogen und Knie und rieb sich mit den Handballen die Augen.
»Xanadu?«, fragte er undeutlich.
»Ich glaube. Dieses Zimmer sieht aus wie
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