Modesty Blaise 11: Die Lady spannt den Bogen
verschleierte. Er war bei sich zu Hause gewesen. Dick und Rodney auch. Er war im Schlafzimmer gewesen, mit … ? Ach ja, mit Teresa, dem Rotschopf. Und dann …
Danach konnte er sich an nichts mehr erinnern. Ihm brach der Schweiß aus, als ihm klar wurde, daß sie ihn in eine Falle gelockt hatte. An das Schicksal seiner Aufpasser verschwendete er nur einen kurzen Gedanken.
Es würde diesen Holzköpfen nur recht geschehen, wenn die sie in den Fluß geschmissen hätten. Aber wer steckte dahinter? Wer hatte die kleine Hure angeheuert, um seine Entführung vorzubereiten? Wer? Wer?
Vor Angst drehte sich ihm der Magen um, als er nun das Quietschgeräusch einer klemmenden Holztüre hörte, und gleich darauf Schritte, die die Kellertreppe herabkamen. Es klang nach mehr als einem Paar Füße.
Bernie Chan schloß die Augen und ließ seinen Kopf zur Seite sinken. Früher oder später würde er zwar herausfinden müssen, was seine Entführer vorhatten, aber in diesem Augenblick zog er es vor, damit noch zu warten, bis er Zeit gefunden hatte, seine wirren Gedanken zu ordnen.
Durch die geschlossenen Augenlider spürte er das Licht einer Taschenlampe in seinem Gesicht aufblitzen, dann ging es wieder aus, und die Schritte entfernten sich. Es waren zwei Paar Füße. Vorsichtig blinzelte er mit einem Auge. Die beiden Männer trugen etwas Ähnliches wie Arbeitsoveralls und hatten Strumpfmasken über das Gesicht gezogen. Sie standen in der hinteren Ecke des Raumes, wo eine zusammengesunkene Gestalt im Licht der Taschenlampe zu sehen war, und Bernie Chan empfand ein seltsam tröstliches Gefühl bei dem Gedanken, daß er nicht der einzige Gefangene in diesem Keller war.
Der Mann lehnte vornübergesunken an der Wand, und im Lichtkegel der Lampe konnte Bernie die Kette sehen, die von seinen Handschellen zu einer schweren, eingemauerten Stahlkrampe verlief. Außerdem fiel ihm auf, daß der Mann brutal verprügelt worden war. Sein Kiefer war fürchterlich verschwollen, und eine ganze Hälfte seines Gesichtes bestand nur noch aus einer formlosen Masse von Blutergüssen und Aufschürfungen. So wie der Mann da saß, die Arme gegen die Rippen gepreßt, hatte Bernie den deutlichen Eindruck, daß sein Körper unter dem dünnen Anorak mindestens ebensoviel wie das Gesicht abbekommen haben mußte.
Der größere der beiden Männer, die gerade heruntergekommen waren, leuchtete dem Opfer ins Gesicht und beugte sich zu ihm hinab. Dann begann er mit einem so starken Akzent zu sprechen, daß die Szene einer gewissen Komik nicht entbehrt hätte, wäre es Bernie Chan dabei nicht kalt über den Rücken gelaufen. »Aha, du wieder aufwachen, ja, Garvin? Das sein sehr gut, weil meine Freund und ich schon klein Pause gemacht haben nach unser klein Spaß mit dich vor eine Stunde.«
In Bernies Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander.
Garvin?
Willie Garvin? Die rechte Hand von Modesty Blaise?
Der Mann mit dem fremdländischen Akzent stieß plötzlich ein schrilles Lachen aus und trat seinem Gefangenen mit dem Stiefel in die Rippen. Bernie Chan erzitterte bei dem krachenden Geräusch der Knochen und dem Keuchen, das Garvin von sich gab, als er sich wegzudrehen versuchte. Im nächsten Augenblick war auch der andere dabei, den Gefesselten zu treten und zu stoßen. Bernie Chan schloß das Auge wieder und lag ganz ruhig, lauschte nur den Geräuschen und bemühte sich, seine Gedanken vor dem zu verschließen, was Willie Garvin gerade durchmachte. Eigentlich waren es nicht Garvins Qualen an sich, die ihm zu schaffen machten, sondern vielmehr die Tatsache, daß auch er in nicht allzu langer Zeit dieselben Qualen erleiden könnte. Nach einer Weile hörte er den größeren Mann keuchend hervorbringen: »Genug schon, Armand. Unser Befehle sein, nicht töten diese Männer, nur klein weichmachen mit sie, bis sie fertig sein, wenn Chef wiederkommen morgen früh.«
Der Kleinere der beiden antwortete ihm in sehr gebrochenem Englisch, in dem eine Menge Worte vorkamen, die Bernie Chan entfernt an französische Laute erinnerten. Er verstand zwar nichts, der größere Mann war jedoch das Kauderwelsch offenbar gewohnt, denn er erwiderte leicht gereizt: »Ja, natürlich, wir werden noch klein Spaß mit Mr. Chan auch machen, aber nur Zeitverschwendung, wenn er noch nicht aufwachen sein.«
Der andere, den er Armand genannt hatte, brummte etwas zurück, und dann hörte Bernie ihre Schritte näherkommen. Wieder leuchteten sie ihm mit der Taschenlampe ins Gesicht. Er lag
Weitere Kostenlose Bücher