Modesty Blaise 11: Die Lady spannt den Bogen
viel.«
»Ich rufe ihn morgen an und vereinbare ein Treffen mit ihm.« Sie stand auf und steckte den Zettel mit der Nummer in die Tasche. »Ich wäre nie auf die Idee gekommen, daß die
Watchmen
ihren Stützpunkt irgendwo hier im Lande haben.«
»Ich auch nicht, bis jetzt jedenfalls nicht. Aber selbst wenn ich recht behalte, dann wissen wir noch lange nicht, was hinter all diesen scheinbar sinnlosen Anschlägen steckt.« Er erhob sich aus seinem Sessel.
»Das haben wir doch schon durchgekaut«, sagte sie.
»Erstens: diese Anschläge
können
einfach nicht sinnlos sein, dafür sind sie zu kostspielig. Zweitens: die
Watchmen
haben also offenbar einen finanziellen Rückhalt, der nur von einer Regierung oder einem Multi oder vielleicht einem Erdölkonzern kommen kann. Niemand sonst hat so viel Geld. Es gibt aber keine Erklärung dafür, wie ein Multi oder eine Ölfirma aus den bisherigen Aktionen einen Vorteil ziehen könnte, also bleibt nur eine Regierung, die dahinter steht.«
»Und wenn man den Umfang und den Stil der Aktionen berücksichtigt, dann kommt nur Moskau in Frage.« Willie ging im Zimmer auf und ab. »Wir wissen zwar, daß die
Watchmen
ein paar antirussische Aktionen veranstaltet haben, aber das wäre ja auch nicht anders zu erwarten. Es würde komisch aussehen, wenn die Sowjets als einzige nicht betroffen wären.« Er seufzte und rieb sich den Nacken. »Aber damit bleibt immer noch die Frage, was ihnen das Ganze nützt.«
»Darüber habe ich gerade nachgedacht«, sagte sie bedächtig. »Es könnte sich dabei um eine extrem komplizierte Finte handeln, mit der sie sich von etwas distanzieren, das erst für die Zukunft geplant ist. Alle ihre Aktionen bis jetzt waren angeblich im Auftrag von verschiedenen fanatischen Protestgruppen, was keinen rechten Sinn ergibt.«
Willie machte keine Bewegung. »Du meinst, das alles sind nur Ablenkungsmanöver gewesen?«
»So würde das Ganze zumindest einen Sinn ergeben.
Damit könnten sie ihren eigentlichen großen Schlag zwischen lauter vorgetäuschten Lappalien verbergen, und verantwortlich sind dann nur die
Watchmen
.«
Willie stieß einen leisen Pfiff aus. »Donnerwetter.
Selbst wenn man nur sechs Monate für das Anwerben und Trainieren so einer Mannschaft rechnet, dann heißt das immer noch, daß sie mit den Vorbereitungen dieses ganzen Unternehmens vor fast drei Jahren begonnen haben, und alles nur zur Tarnung für ein Ding, das noch bevorsteht.«
»Was sind schon drei Jahre, Willie? In Moskau denkt man in langen Zeitabschnitten, das weißt du doch.«
»Stimmt.« Er hatte die Hände in den Taschen seines Bademantels vergraben und starrte zu Boden. Dann hob er den Kopf und sah sie an, und plötzlich war er überzeugt davon, daß sie im Prinzip richtig lag. »Haarscharfe Logik«, bestätigte er ihr. »Es ist die einfachste Vermutung, die den Tatsachen Rechnung trägt. Du bist eine sehr kluge Frau, Prinzessin.«
Sie wehrte kopfschüttelnd ab: »Ich kann bloß manchmal ganz gut raten.«
»Na, bis du richtig klug bist, wird das schon reichen. Die Frage ist nur, was ist ihr großer Schlag? Und wann steigt er?«
»Das weiß der Himmel.« Sie zog den Zettel mit der Telefonnummer aus der Tasche und warf einen Blick darauf. »Aber der ist nicht der einzige, der es weiß. Versuchen wir mal, ob wir damit eine Spur zu ihrem Häuptling bekommen.«
»Und wenn wir dann einen Namen haben? Oder mehrere Namen?«
»Dann beschatten wir den wahrscheinlichsten von ihnen, und zwar noch viel vorsichtiger, als wir es jemals getan haben. Irgendwo müssen sie ja eine Operationsbasis für ihre Aktionen haben, und wir brauchen einen der Chefs der
Watchmen
, der uns dort hinführt. Ich bezweifle, daß die Basis hier in England ist, und ich könnte wetten, sie ist nicht hinter dem Eisernen Vorhang, weil sie ja saubere Finger behalten wollen. Ich könnte mir vorstellen, daß sie in Libyen ist. Aber wo auch immer, das ist jedenfalls unser Ziel, weil wir dort auch Oberon finden werden.«
Sie schwiegen eine Weile, dann sagte Willie: »Dinah weiß, daß wir hinter den
Watchmen
her sind.«
Sie blickte ihn erschrocken an. »Wirklich? Oh verdammt. Es muß ihr furchtbare Angst einjagen. Hat sie es dir gesagt?«
»Nein.« Er erinnerte sich an den Druck ihrer Finger an seinem Handgelenk. »Aber sie weiß es.«
»Naja …« Modesty zog eine gequälte Grimasse. »So ist das eben. Hoffentlich haben wir es bald hinter uns, obwohl ich es bezweifle.« Sie wandte sich zur Tür.
»Gute Nacht,
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