Modesty Blaise 11: Die Lady spannt den Bogen
erübrigen, aber mich soll der Teufel holen, wenn Sie meinetwegen unnötig nervös werden. Unsere Leute können so etwas riechen, also wäre es schlecht für die Moral der Truppe. Ich gebe Ihnen Szabo, bis seine Gruppe sich einschifft. Er gehört zu den letzten. Zufrieden?«
»Szabo ist eine gute Wahl. Vielen Dank, Major. Gute Nacht.«
Golitsyn wandte sich der Mole zu, – wo das Beiboot schon wartete, um ihn aufs Bohrschiff zu bringen. Die beiden anderen sahen ihm nach. Nach kurzem Schweigen sagte St. Maur: »Der Kerl hat Schiß bekommen.
Kann ihn unmöglich in den letzten Minuten seine Nervosität überall verbreiten lassen.«
»Stimmt«, pflichtete ihm von Krankin bei. »Es war ganz richtig, ihm Szabo zu überlassen, obwohl das Ganze in jeder Hinsicht unnötig ist. Ich bin jedenfalls der Ansicht, daß diese Blaise und auch Garvin allgemein ziemlich überschätzt wurden.«
Major Earl St. Maur blickte auf das Leuchtzifferblatt seiner Uhr und gähnte. »Schon möglich. Aber das ist jetzt ohnehin egal«, meinte er gleichgültig. »Sie sind bis oben hin vollgepumpt mit Drogen, und Jakoubek wird sie weiter vollpumpen, bis Oberon sie heute abend umlegt.« Willie Garvin fühlte die Gefahr sofort, schon als die allerersten Teile seines Bewußtseins langsam in die Wirklichkeit zurückkehrten. Er blieb still liegen, atmete tief und regelmäßig, rief sich alles ins Gedächtnis zurück, spürte die Fesseln um seine Arme und lauschte auf die Geräusche rings um ihn herum.
Da war das leise Rauschen des Meeres, das sanfte Schwanken des Bohrschiffs, und das viel nähere Geräusch von Modestys Atem auf dem Bett neben ihm.
Sonst nichts. Nach einer Weile gestattete er seinen Augenlidern, sich ein winziges Stück zu öffnen. Eine Lampe im Krankenzimmer brannte, die anderen zwei waren ausgeschaltet. Es gab nichts, an dem man die Tageszeit erkennen konnte. Seine innere Uhr, auf die er sich normalerweise verlassen konnte, sagte ihm, daß es draußen schon hell war.
Sie mußte wohl auf das leichte Zucken seiner Augenlider schon gewartet haben, denn plötzlich hörte er ihre Stimme. Sie flüsterte nur: »Alles in Ordnung, Willie. Wir sind allein.«
Er machte die Augen auf und drehte den Kopf. Sie sah ihn an, und in ihrem Blick lag eine gewisse Erleichterung, als sie nun lächelte und ihm sagte: »Es ist kurz vor neun Uhr morgens, und wir werden noch eine Weile allein sein, also laß dir Zeit.«
Er nickte kurz und entspannte sich. Eine leichte Übelkeit war von dem Schlafmittel zurückgeblieben, aber sie machte ihm nichts aus, und er fand Modesty in diesem Moment einfach wundervoll. Es war gar nicht so schlecht, dachte er. Vor neun Stunden hatte man sie beide unter Drogen gesetzt, und sie hatten den Tod vor Augen. Aber sie hatte sich einen Gegenzug ausgedacht, von dem die Bösewichter nicht einmal träumen konnten, und hatte ihn auf eine Weise genutzt, die ihm selbst noch nicht ganz klar war. Eigentlich müßte er immer noch bewußtlos sein, infolge einer zweiten Injektion am frühen Morgen, aber statt dessen waren sie beide hellwach und bei Sinnen, und obwohl sie immer noch eingesperrt waren, hatten sich ihre Chancen jetzt von Null auf etwa Fifty-fifty gewandelt.
»Was ist passiert?« fragte er leise.
»Ich hab ein bißchen von dem Schlafmittel durch Muskelkontraktion herausgedrückt, während sie dir die Injektion gegeben haben, und bin gegen fünf Uhr wach geworden.« Sie machte eine Pause und lauschte, um dann fortzufahren. »Hab mich aus diesen Fesseln gewunden und im Operationssaal umgesehen. Da hab ich die Flasche mit dem Schlafmittel gefunden, den Gummiverschluß rausgehebelt und das ganze Zeug ins Waschbecken gekippt, mit destilliertem Wasser wieder aufgefüllt und das Gummiding eingesetzt. Hat eine ganze Weile gedauert, weil ich noch ein bißchen benommen war. Aber schnell machen wollte ich es auch nicht, und ich hab Blut und Wasser geschwitzt bei dem Gedanken, daß jemand reinkommen könnte. Hab mich aber unnötig aufgeregt, denn bis sieben ist alles ruhig geblieben. Dann kam Jakoubek mit einer Wache, um uns die nächste Spritze zu verabreichen.«
Mit destilliertem Wasser. So hatte sie es also gedeichselt. Willie genoß seine Freude über diese einfache Idee. »Also was jetzt?« murmelte er. »Haben wir Waffen?«
»Nein, unsere Kleider und die Waffen sind woanders.« Sie deutete mit dem Kinn auf die Tür. »Siehst du die Luftklappe da?«
Er verdrehte den Kopf und sah die kreisrunde Armatur, eine
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