Modesty Blaise 11: Die Lady spannt den Bogen
Südfrankreich auf diesen hier gestoßen, kurz nachdem wir das
Netz
aufgelöst hatten. György war ein bißchen knapp mit dem Geld, und ich hatte nichts dagegen, den stillen Teilhaber zu spielen und ihn die Sache leiten zu lassen, also habe ich mich eingekauft.«
»Deswegen weiß ich noch lange nicht, warum.«
»Naja … ich ziehe jedes Jahr ein paar Wochen mit, manchmal während der Tournee und manchmal im Winterquartier, und wenn ich will, packe ich ein bißchen mit an. Es macht mir Spaß, das ist alles. Nun, vielleicht doch nicht alles. Haben Sie jemals mit einer Trapezkünstlerin geschlafen, Sir G.?« Tarrant überlegte und schüttelte dann bedächtig den Kopf. »Nicht daß ich wüßte.«
»Das sollten Sie mal ausprobieren. Ich kann Ihnen sagen, Trapezkünstlerinnen haben ganz außergewöhnliche Talente.«
»Ich werde es mir merken.«
Tarrant fühlte sich ziemlich unglücklich, während er müßig zusah, wie Willie den Elefanten säuberte. Er hatte schon längere Zeit keine Familie mehr, und seine Alternativen für den Abend bestanden darin, entweder allein in seiner Wohnung zu sitzen oder in seinem Club Gesellschaft zu suchen. Da ihn keine der beiden Möglichkeiten besonders ansprach, wollte er nur ungern gehen. Nach einer Weile fragte er: »Haben Sie etwas von Modesty gehört?«
»Ich hab’ vor ein paar Tagen eine Karte von ihr bekommen. Sie kam vom Bryce Canyon.«
»Läuft sie da wirklich barfuß in der Wildnis herum, Willie?«
»Ja, sicher. Auf diese Weise ist sie schon von Gott-weiß-woher im Balkan bis nach Marokko und zurück gewandert, als sie noch ein Kind war, deshalb ist das für sie ganz natürlich.«
Nach einer kurzen Pause bemerkte Tarrant: »Ich komme übrigens langsam zu der Überzeugung, daß der Mann mit der Armbrust in Wirklichkeit hinter mir her war, nicht hinter Modesty.« Willie sah ihn scharf an. »Wie kommen Sie denn darauf?«
»Ich bin mir ganz sicher, daß ich seit dem Überfall überwacht werde.« Tarrant zog eine Schulter hoch.
»Ich habe zwar nie im Außendienst gearbeitet, deshalb fallen mir diese Dinge nicht so rasch wie einem Agenten auf, aber trotzdem glaube ich nicht, daß ich mir das Ganze eingebildet habe.«
Willie entspannte sich wieder. »Haben Sie auch nicht«, erklärte er. »Die Prinzessin hat veranlaßt, daß jemand von der Rossiter-Agentur sich für alle Fälle ein paar Wochen lang an Ihre Fersen heftet. Er sollte aufpassen, ob sich irgend jemand näher für Sie interessiert, und mich dann benachrichtigen.«
Tarrant starrte ihn an. »Warum zum Teufel hat sie das getan?«
»Zufällig hat sie eben ein bißchen für Sie übrig, Sie alter Brummbär. Deswegen hat sie es getan.«
Tarrant lächelte und schlug die Augen nieder. »Ich ziehe meinen Protest hiermit zurück.«
»Rossiter hat ein gutes Team auf Sie angesetzt. Wenn Sie es bemerkt haben, dann sind Sie ziemlich auf Draht. Und was haben Sie deswegen unternommen?«
»Unternommen?«
»Ja, was für Gegenmaßnahmen? Sie konnten ja nicht wissen, daß Ihre Beschatter nur den Auftrag hatten, Ihre Eskorte zu spielen.«
»Ich habe keinerlei Gegenmaßnahmen ergriffen, Willie. Ich kann doch niemanden einsperren oder des Landes verweisen lassen, nur weil er mich beobachtet. Ich könnte ihn zwar verhören lassen oder ihm eine Lektion erteilen, aber wozu? Wenn es jemand wirklich ernst meint, dann hält ihn das nicht zurück. Es ist nun einmal so, daß wir in diesem Staat abwarten müssen, bis jemand tatsächlich das Gesetz übertritt, bevor wir etwas unternehmen können.«
»Bis dahin könnten Sie schon lange tot sein. Warum haben Sie keinen Leibwächter?«
»Weil ernsthaft entschlossene Leute ihn als erstes töten würden, wenn er sich ihnen entgegenstellt. Es gibt einfach keine wirksame Methode, mit solchen Angelegenheiten fertigzuwerden. Auf jeden Fall können Sie Rossiters Team jetzt abziehen.«
Willie streichelte Ethels Rüssel und stellte den Eimer mit dem Lappen beiseite. »Schon passiert. Ich hab sie vor einer knappen Woche abgezogen, nachdem sie keinerlei Anzeichen feststellen konnten, daß Sie noch von anderer Seite überwacht werden.«
Tarrant kratzte mit dem Schirm einen kleinen Kreis in den Boden. »Sind Sie sich da sicher?«
»Ja.« Willie blieb stehen, und seine Augen zogen sich auf einmal zu Schlitzen zusammen. »Warum?«
»Ich hatte in der Tat das Gefühl, daß die Überwachung seit ein paar Tagen aufgehört hatte. Aber gestern habe ich sie wieder gespürt, und ich bin mir fast sicher, daß
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