Modesty Blaise 11: Die Lady spannt den Bogen
sorgten nämlich für eine weit bessere Verbindung mit Moskau als die notwendigerweise getarnten Antennen der Küstenbasis.
»Guten Morgen«, erwiderte St. Maur »Wie sind die Nachtmanöver verlaufen?« Der Deutsche nickte. »Sehr gut. Ich habe einen Bericht für Sie aufgesetzt.«
»Vielen Dank. Was ist mit Oberon?«
»Hat eine hervorragende Leistung geboten.«
»Keine sichtlichen Nachwirkungen wegen des Scheiterns von Unternehmen
Baystrike
?«
Von Krankin überlegte. »Doch, das wirkt bei ihm schon nach. Aber zu unserem Vorteil. Sein einziger Fehler war sein übermäßiges Selbstvertrauen, und das hat er jetzt nicht mehr. Er ist natürlich wütend auf sich selbst und trägt einen enormen Haß auf diese Modesty Blaise mit sich herum, aber sowohl die Wut als auch der Haß sind eiskalt, weil er sie in einen mächtigen Antrieb zu noch besseren Leistungen bei sich und seinen Leuten umgewandelt hat.«
Zu dritt gingen sie jetzt langsam die Mole entlang, und St. Maur bemerkte: »Sehr erfreulich. Ich würde ihn nicht gerne abstoßen müssen. Der Bursche wäre in diesem Stadium nur sehr schwer zu ersetzen.«
Golitsyn gab keinen Kommentar ab. Er stimmte St. Maur zu, war jedoch ein wenig beunruhigt wegen der Auswirkungen, die die gescheiterte
Baystrike-
Aktion auf die Stimmung der
Watchmen
haben konnte, und er fragte sich, wie der Major dieses Problem wohl handhaben würde, wenn er in wenigen Minuten seine Vorbesprechung des Unternehmens
Morgenstern
in der Kommandobaracke einleitete. »Wenn wir
Morgenstern
abgeschlossen haben, Colonel«, sagte St. Maur, »dann werden kosmetische Operationen an mehreren Gesichtern benötigt, bevor ihre Besitzer sich wieder frei bewegen können. Bei Oberon, Szabo, Forster und Blik.«
Golitsyn stimmte ihm zu. »Ja, nach meinen Informationen haben die Engländer der Interpol und allen westlichen Geheimdiensten sehr gute Phantombilder der vier Gesichter zur Verfügung gestellt, die Modesty Blaise während des Unternehmens
Baystrike
gesehen hat. Aber Oberon kann die anderen beruhigen. Wir werden für einen erstklassigen plastischen Chirurgen sorgen, sobald
Morgenstern
beendet ist, und noch vor ihrem ersten Urlaub.« Nach einer Weile fuhr er fort:
»Eben ist mir eingefallen, daß entweder Forster oder Blik oder vielleicht auch alle beide uns einen großen Gefallen täten, wenn sie im Verlauf von Unternehmen
Morgenstern
getötet würden. Da ihre Leichen sofort als die beiden angeblichen CIA-Agenten in der
Baystrike-Sache
identifiziert würden, wäre das doch ein herrliches Indiz für den Zusammenhang zwischen den
Watchmen
und der Aktion
Morgenstern
.«
»Ja, das wäre sicherlich ein überzeugender Beweis«, sagte von Krankin nach kurzem Nachdenken. »Jedenfalls ein wesentlich besserer als unsere üblichen Erklärungen an die Presse und die Geheimdienste. Aber Forster würde ich nur ungern verlieren, er ist ein äußerst fähiger Mann.« Er sah St. Maur fragend an. »Blik schon eher, oder?«
Der Major nickte. »Ja, wenn es uns einen hinreichenden Vorteil verschafft, dann könnten wir Blik erübrigen. Es müßte allerdings wirklich überzeugend aussehen.« Er gab ein kurzes Bellen von sich, das bei ihm als Gelächter angesehen werden mußte. »Schade, daß wir nicht auch Modesty Blaise als taktischen Verlust zurücklassen können. Das würde bei den Geheimdienstleuten ja wirklich ein Chaos auslösen: Sie reißen einem Toten die Gesichtsmaske herunter, und da liegt sie vor ihnen, ein Mitglied der
Watchmen
. Eher noch die Anführerin, was?« Wieder gab er dieses knurrende Bellen von sich.
Golitsyn blieb stehen, und die beiden anderen unterbrachen ihre Schritte nach kurzer Zeit ebenfalls. Sie sahen ihn fragend an. »Das wäre ja sogar eine außerordentlich gute Idee, Herr Major«, sagte er schließlich.
Seine Augen waren halb geschlossen und auf einen Funkt in weiter Ferne gerichtet.
»Was?«
»Das mit Modesty Blaise. Allerdings müßten wir dabei auch Garvin berücksichtigen. Es wäre nicht sehr plausibel, wenn er nicht zusammen mit ihr tot aufgefunden würde.«
»Mein Gott, das habe ich doch nicht ernst gemeint«, sagte St. Maur mit einem Stirnrunzeln. »Nun ja, ich meine, einen Witz wollte ich auch nicht machen. Ich glaube, ich habe einfach nur laut gedacht.«
»Es kann sehr nützlich sein, seine Phantasie schweifen zu lassen«, erwiderte Golitsyn geistesabwesend. Er hatte die Hände auf dem Rücken, sein Kopf war leicht geneigt, und er blickte zu Boden, offensichtlich in Gedanken
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