Modesty Blaise 11: Die Lady spannt den Bogen
zusammengebraut hatte. Sie war nackt, und er bemerkte ein kleines Pflaster auf der äußeren Wölbung einer ihrer Brüste. »Was ist denn das, Prinzessin?«
Sie sah hinunter. »Nur ein ordentlicher Kratzer. Nachdem sie mich auf der Jacht gefesselt hatten, bin ich durchsucht worden, und sie haben mir den BH weggenommen. Aber es waren nur ein paar Dietriche drin, und die hätte ich ohnehin nicht brauchen können.«
»Dieser eine Kratzer, und das ist alles?«
»Bis auf ein paar blaue Flecken von der Reling beim Absprung und einen Muskelkater in den Schultern und Beinen von dem Versuch, mit Ben in den Armen an Land zu schwimmen. Ich hätte morgen früh ganz gern eine deiner phantastischen Massagen, ja? Und meinetwegen brauchst du übrigens heute abend nichts zu essen zu holen. Ich schlafe jetzt bestimmt bis morgen früh durch, und wenn du mit der Wundermassage fertig bist, dürfte ich so gut wie neu sein.« Sie trank ihre Tasse leer und gab sie ihm. »Danke Willie. Und danke, daß du so schnell hier warst.«
Er stand auf und schloß die Jalousien. »Bis jetzt hab ich ja noch gar nichts zu tun gehabt, Prinzessin.«
»Du bist doch hier. Das ist ja schon genug.«
An der Tür drehte er sich noch einmal um. Sie lag immer noch aufgestützt im Bett, und selbst im Halbdunkel des Zimmers konnte er die Frage in ihren saphirblauen Augen erkennen. »Was hast du denn eben gemeint mit ›bis jetzt‹, Willie?«
»Hängt von dir ab, Prinzessin. Hast du vor, etwas wegen dieser Sache zu unternehmen? Ich meine, gegen die
Watchmen
?«
»Ich werde sie aufspüren«, sagte sie knapp. »Nicht als Rache für Ben oder aus irgendwelchen edlen Motiven. Es ist reiner Egoismus, den ich nicht rechtfertigen kann, aber ich werde sie aufspüren, weil ich sie hasse. Ich ganz persönlich hasse sie von Grund auf, weil sie grausame, bösartige Dreckskerle sind. Was mich betrifft, ist das jetzt ein Krieg, Willie.«
Das sah ihr allerdings ähnlich, dachte Willie. Mit einer Zwei-Mann-Armee gegen einen unbekannten Gegner in den Krieg zu ziehen. Aber deswegen war es noch lange nicht waghalsig oder unbedacht. Sie hatte so etwas schon früher in Angriff genommen und jedesmal gesiegt. Aber nicht einmal mit Willie Garvins Unterstützung würde sie rechnen, solange er sie ihr nicht anbot, denn seit der Zeit, da das
Netz
seine Arbeit eingestellt hatte, war es für sie nie selbstverständlich gewesen, daß er sie bei ihren Unternehmungen begleitete.
»Ich bin dabei, Prinzessin. Und eine Spur haben wir auch, denn wer auch immer die polnischen Zwillinge gekauft hat, er hat Bernie Chan für die Vermittlung bezahlt. Und jetzt sei ein braves Mädchen, leg dich hin und träum was Schönes.«
10
Golitsyn kam die Sprossenleiter vom Bohrschiff herabgeklettert und stieg in das viereinhalb Meter lange Beiboot. Major Earl St. Maur war bereits an Bord. Der Mann am Ruder ließ das Boot mit gleichmäßiger Geschwindigkeit Kurs auf die kahle graue Küste von Deserta Grande nehmen, die eine knappe Meile vor ihnen lag.
»Es wäre doch lustig, wenn wir hier tatsächlich auf Öl stoßen würden«, sagte Golitsyn, als er auf den imposanten Bohrturm des Schiffs zurückblickte.
St. Maur schloß das Notizbuch, in das er geschrieben hatte, und runzelte die Stirn. »Das wird hoffentlich nicht eintreten«, meinte er. »Es würde uns in ziemliche Verlegenheit bringen. Von unserer Mannschaft haben nur zwei wirklich Erfahrung mit der Bedienung des Bohrturms, und ich möchte bezweifeln, daß sie mit einer solchen Situation fertigwürden.«
»Gar kein Problem«, wandte Golitsyn ein. »Die Schlammlast im Bohrloch müßte eigentlich ausreichen, um ein unkontrolliertes Ausströmen zu verhindern, und falls sie doch nicht reicht, haben wir ja immer noch die Bohrlochsicherung. Zwei Mann mit Erfahrung könnten damit ohne weiteres fertigwerden, Major, aber ich glaube kaum, daß wir damit rechnen müssen. Die ursprüngliche Besatzung des Bohrschiffs hat in der ersten Woche an die siebenhundert Meter tief gebohrt, ohne dabei auf Öl zu stoßen. Damit wollten sie natürlich den Energieminister beeindrucken, der gerade mit seinen Beratern aus Lissabon angesagt war.«
»Andererseits haben wir seitdem noch tiefer gebohrt.«
»Nur sehr wenig, Major. Seit wir die eigentliche Crew hier ausbezahlt und gegen unsere eigenen Leute ausgetauscht haben, ist der Bohrturm gerade so oft eingesetzt worden, um in den Berichten noch den Schein von Arbeit zu wahren.«
St. Maur legte den Kopf zurück und
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