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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Frage der Zeit, bis ich nicht nur meinen Job, sondern auch gleich noch die Liebe meines Lebens verliere.«
    Inzwischen heulte ich Rotz und Wasser und sprach nur noch undeutlich.
    »Dein Chef … und du?«, stammelte Thomas. »Das wusste ich nicht. Und Daniel auch nicht, oder?«
    »Natürlich nicht!«, brüllte ich. »Denkst du vielleicht, ich wollte mir das auch noch madig reden lassen? Mein Bruder hat mein Leben gekapert und zerstört und ich hatte dem nichts entgegenzusetzen. Ihr habt alles vor mir verheimlicht und seid mir ständig in den Rücken gefallen und du bist genauso schlimm wie er.«
    Ich brach in lautes Schluchzen aus und ließ mich auf einen Stuhl fallen.
    »Wenn ich dir irgendwie helfen kann …«, murmelte er.
    »Das hättest du dir überlegen sollen, bevor du in meinem Büro spionierst hast. Jetzt ist es zu spät«, schluchzte ich.
    Die ganze Enttäuschung der vergangenen Stunden entlud sich in einer wahren Flut von Tränen. Thomas hockte sich neben mich, legte seinen Arm um meine Schulter, zog mich an sich und streichelte mir übers Haar. Ich war so unglaublich sauer auf ihn und fand es trotzdem tröstlich, nicht ganz allein heulen zu müssen, also lehnte ich meinen Kopf an seine Schulter und heulte sein T-Shirt nass.
    So fanden uns Mama und Mike.
    Beide waren nackt und überrascht, in der Küche jemanden anzutreffen. Mama versteckte sich hinter Mike und wurde rot.
    » Hi, how was Africa ?«, fragte Mike.
    Ich blickte fassungslos von einem zum anderen, Thomas starrte mit.
    »Mama …«
    »Sag bitte Sybille. Mama klingt so … altbacken.« Meine Mutter kicherte wie ein Schulmädchen, dann verschwand sie in ihrem Zimmer. Mike drehte sich um und folgte ihr.
    Ich verlor vollends die Fassung und heulte, bis ich vor lauter Erschöpfung an Thomas’ Schulter einschlief. Stunden später erwachte ich ausgezogen und zugedeckt in meinem Bett. Ich war hungrig, denn die bestellte Pizza hatte ich nicht gegessen. Der Karton stand noch in der Küche und ich vertilgte das ganze Ding, trank eine Flasche Bier dazu und ging wieder schlafen. In meinen Träumen zielte Philip mit einem riesigen Gewehr auf Antilopen, ich warf mich heldenhaft dazwischen und Daniel überwältigte Philip.
    Die Antilope überlebte, ich starb.
    Die Zeiten, als ich noch von romantischen Küssen unter afrikanischer Sonne geträumt hatte, waren wohl definitiv vorbei.
    Ich duschte eiskalt, arbeitete mit mäßigem Erfolg eine halbe Stunde an meinem Aussehen und ging früh zur Arbeit. Ich grüßte Josef in der Pförtnerloge und erhaschte einen Blick auf Tin-Tin, die vornübergebeugt auf ihrem Hocker saß und Musik über riesige Kopfhörer hörte. Auf ihren Knien lag ein dickes Buch, in dem sie konzentriert las. Josef stieß sie an, um sie auf mich aufmerksam zu machen, und sie hob den Kopf, riss die Augen auf, nickte mir zu und widmete sich wieder ihrem Buch. Ihre fröhliche Phase schien vorbei zu sein, aber mit plötzlichen Schicksalsschlägen kannte ich mich aus, daher nahm ich ihr Benehmen ohne Überraschung zur Kenntnis.
    »Keine Schule?«, fragte ich Josef.
    Ich wusste selbst, dass ich den Zeitpunkt hinauszögerte, an dem ich in meinem Büro von neuen Katastrophenmeldungen erfahren würde, aber diese kleine Verschnaufpause gönnte ich mir.
    »Schulferien. Sechseinhalb Wochen. Zum Glück hat sie ja jetzt die Küken und diese Gruppe mit ihrer Lehrerin, sonst würde sie vermutlich verrückt werden, den ganzen Tag hier in dem Kabuff bei mir.«
    Ich nickte ihm mit einem gezwungenen Lächeln zu und ging schweren Herzens in mein Büro. Mein Pessimismus hatte mich nicht getrogen. Auf dem Schreibtisch lag ein weiteres Wochenmagazin, in dem ich unsere Anzeige geschaltet hatte. Dieses hier enthielt eindeutig mehr Unterhaltung als Information, die Zielgruppe war emotionaler. Die Tatsache, dass es ganz allein mitten auf meinem Schreibtisch lag, verhieß nichts Gutes. Ich blätterte. Unsere Anzeige befand sich auf Seite 27. Die Gegenanzeige auf Seite 29.Ich warf das Heft auf den Tisch, kreuzte die Arme darüber und legte den Kopf darauf. Die Katastrophe nahm ihren Lauf – und ich konnte nichts dagegen tun.

25
    Niemand sprach im Büro mit mir – und das war deutlich schlimmer, als wenn man mich zur Sau gemacht hätte.
    PS war nicht im Haus. Er besuchte die wichtigsten Kunden aus Hotel und Gastronomie, wie ich zufällig erfuhr, als ich ein Telefonat von Frau Wildenroth mithörte. Er rief nicht an, um über die aktuelle Entwicklung zu sprechen, er rief noch

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