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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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wiederholte das Wort – verärgert hätte. Ja, er werde mit dem Anzeigenleiter sprechen und dieser werde sich so schnell wie möglich bei mir melden mit einem Vorschlag, was man nun zu tun gedenke. Und natürlich würde er mir dann auch die von mir gewünschten Auskünfte geben können.
    Das Telefonat mit dem Grafiker, der die Anzeige gestaltet hatte, lief anders ab, denn er leugnete alles. Er hätte mit niemandem darüber gesprochen, den Entwurf niemandem gezeigt, die Datei nur verschlüsselt versandt und so weiter. Ich glaubte ihm. Immerhin war mir inzwischen etwas eingefallen, was ich offenbar in der ganzen bisherigen Situation verdrängt hatte.
    Es gab jemanden, der von unserer Anzeigenkampagne hatte wissen können, weil er hier in meinem Büro gestanden hatte. Hier, wo die Kampagnenmotive an den Wänden hingen. Hier, wo mein Computer eingeschaltet und nicht mehr passwortgeschützt war, während ich den Raum verlassen musste. Hier, wo alle Unterlagen, alle Kontakte, alle Termine offen herumgelegen hatten. Es wäre ein Leichtes gewesen, die Datei auszudrucken, in der alle Informationen übersichtlich zusammengefasst waren. Dann nur noch ein Bild von einem getöteten Tier suchen, das zu meinem Motiv passte, und schon war die Gegenkampagne fertig.
    Mein Verdacht belastete mich so stark, dass ich Magenschmerzen bekam. Ich wollte ihn entkräften. Wollte bei meinen Telefongesprächen mit den Designern, Grafikern und Anzeigenverkäufern einen anderen finden, der die Schuld auf sich nahm. Schon allein deshalb ließ ich mich nicht abwimmeln.
    Der Rückruf des Anzeigenleiters kam innerhalb der nächsten Stunde und bestätigte mir, was ich bereits befürchtet hatte. Auftraggeber der Gegenanzeige war die Gruppe Hot Spott.
    »Ist das eine rechtsfähige Organisation?«, fragte ich.
    »Keine Ahnung«, entgegnete er lässig.
    »An wen haben Sie denn die Rechnung gestellt?«
    »An Hot Spott, Düsseldorf.«
    »Sie haben keinen Namen, keine Anschrift?«
    »Nein. Die haben im Voraus bezahlt – und zwar den vollen Preis, ohne Rabatte.«
    Natürlich bekam Siebendt als Dauer-Anzeigenkunde Rabatt. Das war marktüblich und absolut kein Grund, das Wort zu betonen, als wäre es verwerflich. Wir hatten bis Jahresende jede Woche eine ganze Seite gebucht, damit war bereits ein erklecklicher Teil des Gehalts von diesem arroganten Typ, den ich da am Rohr hatte, abgedeckt.
    »Wie lief der Kontakt? Telefonisch?«
    »Ja. Da rief so ein Typ an, sagte, er sei von Hot Spott und er wolle einen Anzeigenplatz buchen. Und zwar den jeweils hinter Ihrem.«
    »Dann hat er Ihnen die Grafikdatei geschickt und selbst da hatten Sie zu keiner Zeit das Gefühl, dass Sie uns, als einen Ihrer Premium-Anzeigenkunden, vielleicht vorwarnen sollten?«, fragte ich.
    Ich war inzwischen nicht mehr nervös oder verunsichert. Nein. Ich war eiskalt. Ich wusste genau, was hier gespielt wurde. Das Einzige, was mir noch nicht in den Kopf wollte, war, wie dieser Mensch am Telefon einen seiner Premium-Kunden derart hintergehen konnte. Da war der Ärger doch vorprogrammiert. Der Kerl war in seinem Job untragbar – er verprellte genau die Werbekunden, die seinem Magazin das Überleben sicherten. Der lächerliche Verkaufspreis am Kiosk konnte schließlich keins dieser Druckerzeugnisse finanzieren.
    »Wissen Sie«, fuhr der Anzeigenleiter in herablassendem Ton fort, »ich habe die Aktionen von diesen Hot-Spott-Leuten von Anfang an verfolgt. Der Typ, der damals im Rhein fast ersoffen wäre, der ist ein Held.«
    Ein Held! Daniel! Mir fiel die Kinnlade herunter.
    »Er hat die Pressekonferenz von dem Energieversorger gefakt und alles, was er sagt und tut, hat Hand und Fuß. Ich habe die Schnauze so voll von diesem ganzen Konsumscheiß,für den wir hier Werbung machen. Autos, Flugreisen, Luxusgüter, die keine Sau braucht, und die wir uns auch selbst nie leisten können, weil unsere Bezahlung scheiße und unser Job alles andere als sicher ist. Ich will in diesem Zirkus nicht mehr mitmachen. Ich habe gekündigt. Das hier, meine Liebe, ist mein Abschiedsgeschenk.«
    Er hatte sich richtig in Rage geredet, und mir fiel beim besten Willen keine Erwiderung ein. Das war allerdings auch nicht nötig, denn er legte grußlos auf.

24
    Es war also wirklich mein eigener Bruder, der diesen Frontalangriff auf meinen Arbeitgeber führte. Mein eigener Bruder, der sich das Recht herausnahm, nicht nur sein eigenes Leben von Grund auf zu ändern – was ich sehr positiv fand –, sondern auch die

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