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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Rheinpromenade war das übliche Gewimmel von Skatern, Radfahrern, Spaziergängern, Rentnern in hellen Sommermänteln und aufgebrezelten Blondinen, die am Sylter Imbiss Garnelen futterten. In der Beachbar lagendie ganz Coolen in den Liegestühlen, schlürften wässrige, überteuerte Drinks und beobachteten die Vorbeiziehenden.
    Noch vor wenigen Wochen hätte Daniel mit einer blondierten Bohnenstange Meeresgetier gegessen, Champagner getrunken und wäre später zu den Cocktails übergegangen. Das alles in Designerklamotten, von denen ein Outfit mehr kostete, als ich im Monat verdiente. Heute würdigte er diese Welt des lässigen Konsums mit keinem Blick, sondern strebte eilig in Richtung Landtag.
    »Im Landtag ist heute keiner, da kannst du demonstrieren, bis du schwarz wirst«, sagte ich.
    »Keine Panik, ich will nicht in die Politik.«
    Das gepflegte Rheinufer wurde ungepflegter, je näher wir dem Parlamentsgebäudes kamen, aber Daniel interessierte sich nicht für das wuchernde Unkraut oder die dilettantisch geflickten Glastreppen-Wasserfälle. Er lief weiter in Richtung Medienhafen, bog aber auch nicht zum Rheinturm ab, sondern ging geradeaus das Parlamentsufer entlang.
    »Da vorn ist Ende«, klärte ich ihn auf, aber mein Tonfall war eindeutig nicht mehr zickig, sondern neugierig. Welcher Spinner plante eine Demo auf der Landzunge, die den kleinen Yachthafen zu Füßen des WDR vom Rhein trennt, bevor sich die Ufermauer öffnet und die große Zufahrt zum Medienhafen freigibt? Diese Stelle, die nur an warmen Sommertagen zum Mittelpunkt des Picknick-Interesses wird, war so ziemlich der ungeeignetste Ort, um mit einer Demo öffentliche Aufmerksamkeit zu erzielen.
    Daniel strebte zum Anleger der Hafenrundfahrten, der fast ganz am Kopf der Mole lag. Noch weiter vorn kam nur noch der Anleger des Polizeibootes, das aber gerade nicht vertäut war. Am Molenkopf hockte eine Gruppe von Leuten, die die Köpfe zusammensteckten und angeregt miteinander zu diskutieren schienen. Auf diese Gruppe steuerte Daniel zu.
    »Hi, wer ist Arno?«, fragte Daniel.
    Ein langer Schlaks blickte auf, reckte sich vor, um Daniel die Hand hinzustrecken und nickte mir über Daniels Schulter freundlich zu.
    »Daniel und Leonie«, stellte Daniel uns vor.
    Ich nickte zurück.
    »Badesachen dabei?«, fragte Arno.
    Daniel nickte.
    Ich starrte Daniel an, er grinste zurück. »Keine Sorge, du musst nicht, wenn du nicht willst.«
    »Was?«, fragte ich.
    »Mitmachen.«
    Bevor ich weiter fragen konnte, erhoben sich die Mitglieder der Gruppe um Arno, entrollten ein langes Banner, auf dem stand: »Uns steht das Wasser bis zum Hals – stoppt den Klimawandel«, liefen den Anlegesteg hinunter und sprangen ins Wasser. Voll bekleidet. Daniel drückte mir sein Portemonnaie in die Hand und sprang hinterher.
    Jeder griff nach dem Banner, alle zupften und zogen schwimmend so lang daran herum, bis es gerade auf dem Wasser lag und gut lesbar war. Dann schwamm die Gruppe um den Molenkopf herum durch die Hafeneinfahrt hinaus in das schnell strömende Wasser des Rheins.
    Ich stand mit offenem Mund und klopfendem Herzen dabei und konnte nicht fassen, was ich da sah. Jedes Jahr ertranken Menschen im Rhein, weil die Strömungen tückisch und stark waren. Und diese Irren hüpften gleich rudelweise in das vermutlich auch noch rattenkalte Wasser und schwammen mit ihrem Banner an der versammelten Spaßgemeinde auf der Düsseldorfer Rheinpromenade vorbei.
    Ich rannte zum Geländer, an dem der Rhein vorbeiströmte, und sah Daniel mit einer Hand an dem Banner in dem reißenden Wasser paddeln.
    »Daniel«, schrie ich. »Komm sofort raus!«
    Hinter mir, auf der Landseite des kleinen Hafenbeckens, an dem wir standen, kam Unruhe auf. Natürlich! Wir standen direkt vor dem Gebäude des WDR. Ich hatte zwar nicht den Eindruck, dass die Demo dort angekündigt war, denn den kühnen Sprung ins Wasser hatte niemand gefilmt, aber jetzt rannten mehrere Mitarbeiter über den Vorplatz in Richtung Rhein – einer hatte eine Kamera auf der Schulter und blieb hinter den Kollegen zurück. Das Gerät schien mächtig schwer zu sein.
    Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder den Schwimmern zu und hastete am Ufer entlang, um ihnen zu folgen. Sie hatten bereits eine ordentliche Strecke zurückgelegt und kamen langsam ins Blickfeld der Düsseldorfer Rheinpromenierer.
    »Hey, seht mal, die Spinner!«, rief einer, der mit einer Bierflasche in der Hand am Ufer hockte.
    »Ruf mal jemand die Küstenwache!«,

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