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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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konnte daher Daniels Antwort nicht einfangen, als er sagte: »Mein Name tut nichts zur Sache.«
    »Was haben Sie mit Ihrer Aktion bezweckt?«
    Ich stand inzwischen außerhalb des Kreises, den die Zuschauer um Daniel bildeten. Die Tontechnikerin kämpfte sich in den Kreis hinein und auch der Kameramann rempelte sich an eine Stelle, von der er freies Sichtfeld auf Daniel hatte. Mein Bruder warf mir einen siegessicheren Blick zuund holte Luft, um mir den tollsten Job der Welt und die Aussicht auf ein Leben an der Seite meines Traummannes zu nehmen, als eine Hand auf seiner Schulter erschien. Die Hand unseres Vaters.
    Daniel drehte den Kopf, sah Papa und erstarrte. Papa schüttelte leicht den Kopf. Daniel versuchte, Papas Hand abzustreifen, aber erfolglos.
    »Was haben Sie mit Ihrer Aktion bezweckt?«, wiederholte die Journalistin mit leichter Verunsicherung in der Stimme.
    Daniel warf ihr noch einen abschätzigen Blick und mir eine Kusshand zu, drehte sich um und ging. Die Menge teilte sich vor und schloss sich hinter ihm. Zurück blieb mein Vater, der nun den neuen Mittelpunkt des Interesses bildete.
    »Die Hormone«, sagte er mit einem Achselzucken und einer leichten Kopfbewegung in Daniels Richtung. Die Umstehenden lachten. Papa verbeugte sich vor der Fernsehtante und verdrückte sich aus dem Kreis. Damit stand nur noch das Fernsehteam in einem Ring aus erwartungsvoll blickenden Zuschauern.
    »Was sollte denn das mit der Kusshand?«, fragte die Fernsehmaus verwirrt. »Kennt jemand den Mann?« Sie drehte sich zu mir. »Was sagen Sie dazu?«
    Der Kameramann nahm die Kamera von der Schulter und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Dann heftete er einen vernichtenden Blick auf die Journalistin. »So was Dilettantisches habe ich ja noch nie erlebt«, brummte er. »Einem von den beiden Typen hättest du folgen müssen! Warum ist der Kerl von Samstag hier wieder aufgetaucht? Wer ist er? Und wer ist die Tunte, die ihm so innig die Pfote auf die Schulter tatzt? Mein Gott, da bietet sich dir die Chance, aus der langweiligsten Geschichte seit der Schneeschmelze eine Story zu machen und du stehst hier und stellst derTussi, die dir schon eine Stunde lang ein weichgespültes PR-Märchen erzählt hat, noch mal dieselben Fragen von vorn. Mit so Leuten arbeite ich nicht. Ich mache Feierabend.«
    Der Kameramann drängelte sich aus dem Kreis und verschwand zwischen den Zuschauern. Die Journalistin warf mir einen giftigen Blick zu, steckte ihre Fragekärtchen in die Tasche und stapfte wütend hinter ihm her. Die Tontechnikerin folgte den beiden sichtlich genervt. Das Publikum wartete noch einige Augenblicke unentschlossen auf eine Fortsetzung des Theaters, zerstreute sich dann aber bald. Ich stand die ganze Zeit reglos an meinem Platz und wagte kaum zu hoffen, dass die Tragödie damit beendet war.
    »Du hast dich hervorragend gehalten.«
    PS hatte sich auf die andere Seite der Plane geschlichen, die die Seitenwand des Marktstandes bildete. Seine Stimme klang zufrieden.
    »Beinahe hätte dieser Idiot die ganze Show geschmissen.«
    Mir wurde heiß. Ich hätte wirklich superdämlich dagestanden, wenn Daniel seine Version der Ereignisse zum Besten gegeben hätte. PS kam um die Plane herum und stand nun direkt vor mir. Ich wurde rot.
    »Aber zum Glück hat dieser Farbrausch in Lila den Spinner daran gehindert, uns reinzureiten. Mein Gott, was für ein Auftritt.«
    Er legte sich in einer gespielt melodramatischen Geste den Handrücken an die Stirn und rollte mit den Augen.
    »Kleines, du warst hinreißend«, ertönte die Stimme meines Vaters direkt hinter mir.
    Jetzt stand mein Kopf in Flammen.
    »Kleines?«, fragte PS irritiert.
    Die beiden Männer blickten sich über meinen Scheitelhinweg an. Keiner von beiden ergriff die Initiative, also war es wieder einmal meine Aufgabe, die Situation zu retten.
    »Papa, das ist Herr Siebendt, mein Chef. Philip, das ist mein Vater.«
    Das Schweigen dauerte an und ich fand, dass ich für den Moment genug geleistet hatte. Ich ließ die beiden stehen und ging zur Straßenbahn. Die Anrufe meines Vaters auf dem Handy drückte ich weg. Eine halbe Stunde später saß ich in meinem Büro und heulte leise, damit Frau Wildenroth mich nicht hörte.

14
    Der Fernsehbericht wurde am selben Abend gesendet und ich schaute ihn mir gemeinsam mit PS in seinem Büro an. Da meine Auskünfte nicht besonders erhellend waren und von der Demonstration selbst keine Bilder existierten, musste die Moderatorin im Studio

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