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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Himmel schlechthin, aber natürlich war daran nicht zu denken. Mein Bruder briet Tofuwürstchen, die er vor ein paar Wochen nicht einmal probiert hätte. Ich setzte mich und goss mir einen Becher Kaffee ein.
    »Leonie, ich warte«, drängte meine Mutter.
    »Papa war auch da, gestern Abend«, sagte ich betont lässig, als sei das nichts Besonderes. »Er kennt wohl den Inhaber.«
    Ich verschwieg, dass Papa vor Glück gestrahlt und wie befreit gewirkt hatte, dass er weltmännisch und selbstsicher gewesen war und wir uns glänzend unterhalten hatten. All das verschwieg ich, aber meine Mutter konnte es mir offenbar trotzdem von der Stirn ablesen. Manchmal denke ich, meine Sommersprossen sind für sie das, was die Brailleschrift für Blinde ist.
    »Ist das sein Lover?«, fragte sie.
    »Wer hat einen Lover?«, nuschelte Mike von der Tür her. Er schlurfte in Unterhosen in die Küche, schnupperte an den Würstchen, die Daniel für mich briet, wurde von meinem Bruder freundlich beiseitegeschoben, schüttelte die Kanne, in der kein Kaffee mehr war, und verschwand unfreundlich grunzend wieder, nicht ohne die Aufforderung: »Mach doch noch mal Kaffee.« Keine Ahnung, wen er damit meinte. Von uns dreien rührte sich jedenfalls niemand.
    »Leonie, ich habe dich etwas gefragt!« Kasernenhofton. Aha, sie hatte sich also wieder unter Kontrolle.
    »Ich nehme es an«, sagte ich. »Vermutlich schon.«
    Mama blickte mich mit gerunzelten Augenbrauen und Mordlust im Blick an.
    »Ja.«
    »Du weißt, dass ich es nicht leiden kann, wenn du drumherum redest.«
    Ich nickte.
    »Du weißt, dass dieses Wischiwaschi nicht hilft.«
    »Ja, Mama.«
    »Du weißt …«
    »Leo, willst du die Würstchen mit Pfeffer oder nur mit Salz?«
    »Mit Chili-Öl«, sagte ich. Zwanzig Sekunden später liefen mir die Tränen über die Wangen. Dass Daniel aber auch immer gleich so übertreiben musste!
    Als Mike zum zweiten Mal in der Küche erschien, trug er eine Jeans. Immerhin. Daniel erzählte Mama von seiner Aktionsgruppe »Hot Spott«, in der er inzwischen zum wichtigsten Mann aufgestiegen war.
    »Vorstandsvorsitzender?«, neckte ich, aber er winkte ab.
    »Wir haben keine feste Organisationsform, keine Struktur, keine Hierarchie. Jeder bringt sich ein mit dem, was er kann.«
    »Und du kannst gut gegen Siebendt hetzen, viel Zeit verplempern und mit Geld nur so um dich werfen«, lästerte ich weiter.
    Mike stand halb nackt neben der Kaffeemaschine und wartete darauf, dass sie endlich fertig wurde. Er hatte offenbar geduscht, denn er roch gut. Es dauerte einen Moment, bis ich kapierte, dass mir der Duft so sympathisch war, weil er von meinem Duschgel stammte. Ich seufzte.
    Daniel redete weiter. Mike reckte sich gähnend und wippte auf den Fußballen. Mama starrte auf Mikes Hintern.
    »Wir wollen die Leute mit lustigen Aktionen aufmerksam machen. Flugblätter bringen ja nichts, die lesen nur diejenigen, die sich sowieso schon für das Thema interessieren.«
    Mamas Blick glitt an Mikes Beinen hinab.
    »Du solltest dein Leben auch umstellen, Ma«, sagte Daniel. »Das wird dich wieder ins Gleichgewicht bringen. Dich zufrieden machen. Es ist so ein gutes Gefühl, das Richtige zu tun.«
    »Lass mal, mein Schatz, ich muss jetzt vor allem an mich denken«, sagte Mama.
    Ich verkniff mir ein gehässiges Grinsen. Damit hatte Dani-Schatznicht gerechnet. Mama wurde jetzt nämlich auch erwachsen.
    Es klingelte wieder an der Tür und Thomas kam, wurde von Daniel begrüßt und konspirativ in Daniels Zimmer geschoben, dann ging die Tür zu. Mike nahm den ganzen Kaffee mit in das Zimmer, das er jetzt mit Conny teilte, und so blieben meine Mutter und ich zurück.
    Mama stand auf, räumte das Geschirr vom Tisch und drehte den Heißwasserhahn auf. Dann drehte sie ihn wieder zu.
    »Ach was, ich will jetzt auch endlich mal mein eigenes Leben haben und nicht immer nur hinter allen anderen herräumen«, sagte sie patzig und verließ die Küche.
    Ich seufzte. Wenn sich hier jeder selbst verwirklichte, blieb die Hausarbeit wohl an mir hängen. Ich schüttelte den Kopf, stand auf und spülte.
    »Es geht nicht gegen deinen Arbeitgeber und es wird eine superlustige Sache, versprochen.«
    Daniel stand in meiner Tür und legte all seinen Charme in den Versuch, mich zu überreden. Zunächst war ich aber einfach nur baff und konnte seinen Worten kaum Aufmerksamkeit schenken.
    Mein Bruder sah aus wie früher. Er trug einen grauen Anzug mit einem hellblauen Hemd, eine Seidenkrawatte, die vermutlich

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