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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Energie-Dinosaurier schwarz und dreckig war. Deshalb bezog selbst unsere notorisch klamme Studenten-WG seit Jahren grünen Strom – der auch nicht viel mehr kostete als die Energie aus Essen.
    Vor dem Haupteingang war ein Stehpult aufgebaut, an dem bereits die Mikrofone der Radio- und Fernsehsender klemmten, deren Ü-Wagen die Straße verstopften.
    »Was wird das?«, fragte ich Daniel.
    »Das wird die Welt gleich erfahren. Ich muss los. Bleib du hier, das ist der Logenplatz.« Er grinste breit und stieg in einen Mercedes mit getönten Scheiben, der neben uns gehalten hatte. Der Wagen fuhr wenige Meter die Straße hoch und bog dann in die Zufahrt zu dem Glasturm ein. Dort verschwand er aus unserem Blick.
    Thomas nahm meinen Arm und schob mich weiter nach vorn. Tatsächlich hatte ich von diesem Standpunkt einen perfekten Blick auf das Rednerpult und die Journalisten, die sich inzwischen davor sammelten.
    »Ich muss dich leider auch allein lassen, meine Rolle ruft«, sagte Thomas. Dann stutzte er. »Es sei denn, du willst mitmachen.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Wenn mir mal endlich jemand sagt, worum es hier eigentlich geht …«
    »Eine Pressekonferenz«, sagte Thomas. »Sieht man doch, oder?«
    Sein breites, schelmisches Grinsen sagte mir deutlich, dass diese Pressekonferenz eine ganz besondere werden würde.
    »Und was könnte meine Rolle sein?«
    »Ich spiele den investigativen Journalisten und du könntest die Fotografin an meiner Seite sein.«
    Er holte eine professionell aussehende Kamera aus seiner Tasche und hielt sie mir hin. »Schon mal so ein Ding in der Hand gehabt?«
    Ich nickte. Die Studiengänge Kommunikationswissenschaft und Design bringen eine ganze Reihe interessanter Erfahrungen mit sich.
    »Also, bist du dabei?«
    Seine Begeisterung steckte mich an, ich nickte unternehmungslustig.
    »Okay, also dann sind wir zwei ein Team.« Er legte mir den Arm um die Schultern und dirigierte mich zur wachsenden Menge der Medienvertreter. Dort herrschte aufgeregte Spannung.
    »Wer weiß schon was?«, fragte eine Frau mit schwarz gefärbten Rastalocken in die Runde. Niemand antwortete.
    Wortjournalisten besprachen sich mit ihren Fotografen, die Radio- und Fernsehleute prüften Ton und Bildqualitätund manch einer grüßte Thomas mit einem freundlichen Nicken. Thomas nickte gelegentlich zurück, achtete ansonsten aber darauf, dass ich nicht abgedrängt wurde, und verschaffte mir einen Platz in den vorderen Reihen. Er blieb dicht hinter mir stehen und beugte sich immer wieder vor, um auf meine Fragen zur Bedienung des Fotoapparates zu antworten. Ich war aufgeregt wie früher als Kind am Nachmittag des Heiligen Abends, wenn der Weihnachtsbaum geschmückt wurde und Daniel und ich in der Küche warten mussten, bis wir ins Wohnzimmer durften.
    Dann ging es endlich los.
    Die Tür der Konzernzentrale ging auf und mehrere Männer in schicken Anzügen sowie zwei Frauen im dunklen Kostüm strebten zügig zum Rednerpult. Einer der Männer war Daniel!
    Der, den ich für einen Buchhalter oder Kofferträger gehalten hätte, trat ans Pult. Sofort herrschte totale Stille im Publikum.
    »Sehr verehrte Dames en Heren, danke, dass Sie so spontan am Feiertag unserer Einladung gefolgt sind. Ich möchte Ihnen heute die neue Konzernausrichtung bekannt geben.«
    Ein Holländer? Ich war offenbar die Einzige, die sich wunderte. Die nicht mehr ganz junge Frau neben mir kicherte. »Ich kann mir nicht helfen, er erinnert mich an Rudi Carell.«
    »Neue Ausrichtung?«, raunten einige Stimmen hinter und neben mir.
    »Er ist echt gut, oder?«, flüsterte Thomas in mein Ohr.
    Was sollte das heißen? War der Typ gar kein Holländer?
    »Die Konzernspitze hat beschlossen, dass wir als erster der vier großen Energieversorger die Energiewende vom ersten Juni an vorwegnehmen. Damit beginnt der größte Umbau in der Konzerngeschichte. Innerhalb von fünf Jahren werden alle unsere Kraftwerke, die mehr als fünfhundertGramm Kohlendioxid pro Kilowattstunde erzeugtem Strom ausstoßen, abgeschaltet.«
    Einige Journalisten schnappten nach Luft, andere hörten ungerührt weiter zu. Ich vermutete, dass den Schnappatmern die Tragweite der Aussage bekannt war. Ich gehörte zu der anderen Fraktion.
    »Die Details dazu erklärt Ihnen jetzt unser neuer Nachhaltigkeitsdirektor, Daniel Trust.«
    Er sprach den Namen englisch aus. Der Mann ignorierte die Rufe der Journalisten, die ihm Fragen stellen wollten, und trat zurück. Daniel trat ans Mikrofon.
    »Wir sind

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