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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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und Thomas klatschten sich ab, während ich noch immer den Kopf schüttelte über so viel Chuzpe.
    »Haben die Journalisten euch das wirklich abgenommen?«, fragte ich.
    Daniel starrte mich entgeistert an. »Du warst doch mittendrin. Hast du etwa das Gefühl, dass auch nur ein Einziger an unserer Show gezweifelt hat?«
    Ich musste zugeben, dass ich diesen Eindruck nicht gehabt hatte.
    »Aber euer Darsteller sah doch sicher nicht genauso aus wie der Boss …«
    »Aber so gut wie«, wandte Thomas ein. »Wobei es natürlich von Vorteil ist, dass der echte auch kein so ganz definierter Typ ist. Er ist eher etwas unauffällig.«
    Damit hatte er auf ungewohnt zurückhaltende Art beschrieben, dass einer der wichtigsten europäischen Konzernlenker so unscheinbar aussah, dass man sein Gesicht schon nach fünf Minuten vollkommen vergessen hatte.
    »Unser Darsteller ist ziemlich klein, was wir aber durch ein niedriges Rednerpult kaschiert haben. Zusätzlich hatten wir die Szenerie so aufgebaut, dass der Redner die Sonne im Rücken hatte.«
    »Ja, alle diese genialen Tipps kamen von Thomas.«
    »Dafür hat Daniel den Darstellern das Gehabe von Wichtigkeit und die nötige Arroganz beigebracht.«
    »Und was passiert als Nächstes?«, fragte ich. Mir war die Sache nach wie vor unheimlich.
    »Mal sehen.« Daniel holte seinen Laptop aus dem Koffer und öffnete mehrere Nachrichten-Seiten im Internet. Überall war die Meldung inzwischen angekommen.
    »Energieriese überholt Regierung«
    »Unerwartete Kehrtwende«
    »Keine Kohle mehr mit Kohle«
    »Sensation: Stromriese beendet fossiles Zeitalter«
    Sekündlich ploppten neue Headlines auf. Die ersten Fotos von der Pressekonferenz erschienen, dann Videos. Wir starrten gebannt auf die Fülle der Meldungen, die alle eins gemeinsam hatten: Sie waren samt und sonders falsch.
    »Wer ist Daniel Trust?«, lautete eine Zeile in einem Ticker.
    »Experte hat Entwicklung vorhergesehen.«
    »Aha«, sagte Daniel, »es geht schon los. Die ersten Superschlauen kriechen aus ihren Löchern und erklären uns, dass sie genau diese Entscheidung bereits vorhergesehen haben. Und die Journalisten fallen drauf rein und bitten die Herrschaften zum Interview, obwohl nirgendwo auch nur ein einziges Wort zu finden ist, das diese Herren vor unserer Aktion von sich gegeben hätten.«
    »Genau wie bei allen Finanz-, Wirtschafts- oder Bankenkrisen«, ergänzte Thomas.
    »Und immer noch keine offizielle Stellungnahme aus dem betroffenen Konzern«, wunderte ich mich.
    Daniel winkte ab. »Die Vorstandsmitglieder müssen sich erst gegenseitig versichern, dass das ein Fake ist. Dann werden sie den Aufsichtsrat beruhigen, der üblicherweise erst mal gar nichts schnallt. Danach beginnen sie zu überlegen, was die Meldung für sie bedeutet, dazu brauchen sie ganze Heerscharen an Juristen, PR-Beratern und Strategen. Sie werden Rücksprachen mit den anderen drei Energieriesen halten und so geht es noch eine Zeit lang weiter. Und dann müssen sie sich überlegen, ob sie reagieren, und wenn ja, wie und wo und wann. Diese ganze Abstimmung hinter den Kulissen dauert mindestens einige Stunden. Die Tatsache, dass der oberste Chef sich für ein verlängertes Wochenende frei genommen hat, ist auch nicht gerade hilfreich. Vielleicht schaffen sie es heute nicht mehr, dann hätten wir auch noch die Tagesschau für uns.«
    Das gelang nicht, die Gegenseite bekam die Tagesschau. Die erste Meldung lautete, dass der Energiekonzern Opfer einer Falschmeldung geworden sei. Unserer Begeisterung und Selbstzufriedenheit konnte das allerdings keinen Abbruch tun, und so feierten Daniel, Thomas und ich bis Mitternacht den ersten deutschlandweit erfolgreichen Mediencoup von »Hot Spott« auf dem Balkon. Zu eiskaltem Biobier, gesalzenen Erdnüssen und ökologisch korrekten Dinkelcrackern gab es laute Musik, zu der ich abwechselnd mit Daniel und Thomas tanzte. Ich hätte ewig so weitermachen können, aber als die Polizei das dritte Mal vorfuhr und uns um Rücksicht bat, war die Party vorbei. Schade. Ich hatte mich lange nicht mehr so gut amüsiert.

17
    Ich arbeitete am Freitag normal, obwohl ich ja schon am Feiertag da gewesen war, und bekam PS nicht zu Gesicht. Nur Tin-Tin, die in der Schule einen Brückentag hatte, verbrachte einige Zeit in meinem Büro. Manchmal schien sie interessiert zuzuhören, wenn ich telefonierte, manchmal schien sie völlig in sich selbst versunken. Ich wurde aus dem Kind nicht schlau, aber es störte mich auch nicht. Wenn das

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