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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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gedacht zu haben und Tin-Tin hatte sowohl in Pippilotta und Prusseliese als auch in Jenny neue Freunde gefunden und war so fröhlich, wie ich sie niemals zuvor gesehen hatte.
    »Bestell deinen Küken einen schönen Gruß von mir«, sagte ich und Tin-Tin nickte ernsthaft. Dann sprang sie vom Stuhl und ging grußlos hinaus.
    Nur noch eine Woche arbeiten. Fünf Tage, um genau zu sein. Dann noch ein Wochenende überstehen, an dem ich vermutlich weder essen noch schlafen könnte, und dann, endlich …
    Meine Aufregung wuchs. Die Geschäftsreise nach Namibia rückte unaufhaltsam näher, aber PS wollte mir auch am Montagnachmittag, als er kurz in meinem Büro vorbeischaute, keinerlei Auskunft über unser Programm geben.
    »Lass dich doch einfach überraschen«, sagte er mit breitem Grinsen, als ich ihn zum wiederholten Mal fragte, welche Reiseroute wir nähmen, welche Leute wir träfen und wie ich mich vorbereiten solle.
    »Ich möchte, dass du diesem großartigen Land spontan und unvoreingenommen begegnest, also entspann dich und lass dich überraschen.«
    Mir blieb wohl nichts anderes übrig, als mich überraschen zu lassen, aber entspannen würde ich mich sicherlich nicht.
    Er war charmant genug, das Zusammentreffen am Samstag in der Damenoberbekleidung nicht zu erwähnen, und ich hatte nicht vor, daran etwas zu ändern. Auch sein Verhaltenmir gegenüber war wie immer: kollegial, manchmal ein kleines bisschen vertrauter, als es zwischen Kollegen üblich wäre, und gelegentlich sogar richtig verschwörerisch. Nichts, was mir einen Hinweis darauf gab, ob er etwas für mich empfand, das über das reine Arbeitsverhältnis hinausging. Ich war unsicher, wie sich die Woche in Namibia auf unser Verhältnis auswirken würde. Immerhin stand uns eine längere Zeit der Zweisamkeit in einem exotischen Land bevor. Würde ich es schaffen, meine Gefühle für ihn zu verbergen? Wollte ich das überhaupt? Immerhin wollte ich mich nicht blamieren, indem ich ihm meine Gefühle offenbarte und ihn dadurch zwang, mich abzuweisen. Andererseits befand sich PS vielleicht in derselben Zwickmühle. Als mein Chef war er in einer Machtposition, die ihm eine Annäherung genauso schwer machte wie mir. Es gab genügend Fälle, in denen Mitarbeiterinnen sich von ihren Vorgesetzten bedrängt gefühlt hatten und rechtlich gegen Belästigung vorgegangen waren. Dieses Risiko würde PS sicher nicht eingehen wollen. Vielleicht war der erste Schritt deshalb sowieso nicht von ihm zu erwarten? Aber war er tatsächlich so ängstlich? Immerhin war doch eine kleine Geste der Annäherung denkbar, die mir die Wahl der angemessenen Reaktion offen ließ. Und wenn die Geste klein genug wäre, könnte auch eine ablehnende Reaktion ohne negative Folgen für beide Seiten bleiben.
    Andererseits schien er sich durchaus für andere Frauen zu interessieren, wie die Szene beim Polo mir mehr als deutlich vor Augen geführt hatte. Ich war also nicht sehr optimistisch, dass …
    PS sah mich auffordernd an. Himmel, ich hatte keine Ahnung, was er zuletzt gesagt oder gefragt hatte.
    »Bitte? Ich war gerade gedanklich woanders.«
    Er sah mich lächelnd an. »Das war ja auch nicht zu übersehen.«
    Ich wurde rot.
    »Wie war deine Frage?«
    Sein Gesichtsausdruck verdüsterte sich spontan. »Ob du diese Bande Verrückter gestern im Fernsehen gesehen hast?«
    »Ich war total offline. Was war denn los?«, fragte ich vollkommen unschuldig, als hätte ich die Geschichte nicht gerade eben von Tin-Tin gehört.
    »Es gibt eine Gruppe, die sich ›Hot Spott‹ nennt. Das sind die Typen, die gegen den Klimawandel im Rhein geschwommen sind und die gefakte Pressekonferenz über die Energiewende gehalten haben. Außerdem haben sie den Holzlaster vor dem ›eat meat‹ gechartert! Was das gekostet haben muss!«
    Mir wurde heiß.
    »Erst das Klima allgemein, dann die Energieversorger und jetzt haben sie einen neuen Lieblingsfeind: die Fleischindustrie.«
    Mein Atem stockte.
    »Gestern haben sie zwanzigtausend lebende Küken auf die Rheinpromenade geschafft, um Stimmung gegen die Geflügelindustrie zu machen. Im WDR war ein langer Beitrag, und dann haben sie es sogar mit einer Meldung und einem Foto in die Tagesschau geschafft.«
    PS schüttelte fassungslos den Kopf. Ich hatte Mühe, überrascht auszusehen, aber dass ich geschockt wirkte, war sicher sehr überzeugend. Ich erwartete nämlich jeden Augenblick, dass PS mich mit seinem durchdringendsten Blick ansehen und fragen würde, ob ich etwas dazu

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