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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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faule Socke, deshalb aß er das, was andere für ihn einkauften. Bis vor Kurzem waren Mikes Wünsche und die Einkaufsgewohnheiten der WG -Mitglieder einigermaßen kompatibel gewesen und er maulte nur gelegentlich über einen zu geringen Fleischanteil. Dann zog Conny los und kaufte für ihn eine extra Ration. Seit Neuestem wurde vegan eingekauft, also aß Mike meist vegan mit gelegentlichen Fleischeinlagen, die seine Freundin besorgte. Wenn Conny sich nun allerdings der Beschaffung verweigerte, hatte er ein Problem. Es war insofern nicht erstaunlich, dass Mikes Zufriedenheit neuerdings sank, sondern eher, dass er vier Jahre lang mit seinem Verhalten durchgekommen war.
    Das Einzige, was Mike regelmäßig selbst besorgte, waren die Konsumartikel, die unter das Betäubungsmittelgesetzfielen – und das auch nur, weil sich alle anderen bisher geweigert hatten, ihn damit zu versorgen.
    »Wer hat denn das Steak gekauft?«, fragte ich also.
    »Ich«, erwiderte Mama ungerührt.
    Na bitte, das hatte ich mir doch gedacht. Mir hatte sie weder Sahne noch Erdbeeren abgegeben, aber für Mike ging sie los und kaufte Steaks. Woran lag es nur, dass manche Männer immer wieder eine Frau fanden, die sich bereitwillig ausnutzen ließ? Ich seufzte.
    Mike hörte uns zwar zu, unterbrach seine Nahrungsaufnahme allerdings nicht. Er futterte das Steak und die aufgebackenen Pommes, als hätte er vier Wochen gehungert. Hatte er vielleicht auch, jedenfalls sah er deutlich magerer aus als noch zu Jahresbeginn. Das konnte ich so leicht feststellen, weil er wieder nur in Jeans am Tisch saß. Der Blick meiner Mutter ging öfter als nötig zu seinen nackten Schultern.
    Dieses Elend wollte ich mir nicht ansehen. Das Wasser kochte, ich goss einen Kaffee auf und verzog mich mit der Tasse auf Daniels Balkon. Als ich die Wohnung später verließ, um meine Nerven mit einem sehr großen Eisbecher mit sehr viel Likör und sehr viel Sahne zu beruhigen, war die Küche leer. Wusste der Teufel, wo Mike und meine Mutter abgeblieben waren.
    Josef war so fröhlich, als ich am nächsten Morgen an seiner Pförtnerloge vorbeikam, dass ich ihn nach dem Grund fragte.
    »Martina ist so glücklich mit diesen Küken«, sagte er. Sein Lächeln war breit und strahlend und ließ ihn um Jahre jünger aussehen – trotz der Zahnlücke oben links.
    »Wie schön!« Ich freute mich wirklich, sowohl für Josef als auch für Tin-Tin selbst. Endlich gab es mal eine gute Neuigkeit.
    »Und die neuen Freunde, die sie dadurch gefunden hat, tun ihr auch gut.«
    Ich stellte mir vor, wie Tin-Tin mit Jenny, Kevin und den anderen Kindern um den Karton mit den Küken herumhockte und jede Bewegung der Tiere beobachtete und kommentierte, wünschte Josef lächelnd einen schönen Tag und ging in mein Büro. Die bevorstehende Reise würde mich eine Woche von meinem Arbeitsplatz fernhalten, also musste ich bis dahin noch ziemlich fleißig sein.

19
    »Das ›eat meat‹ kauft die Wildspezialitäten zukünftig bei uns«, sagte PS sichtlich zufrieden.
    Er lehnte sich in seinem schicken Ledersessel zurück und grinste wie jemand, dem ein guter Streich gelungen war. »Außerdem haben wir vereinbart, dass Gantini auf seiner Speisekarte ausdrücklich darauf hinweist, welche Fleischsorten von uns stammen.«
    Ich zog eine Augenbraue hoch. Eine derartige Vereinbarung hatten wir bisher mit keinem Gastronomen. Allerdings war sie auch nicht übermäßig interessant, denn die Endverbraucher konnten unsere Ware im Einzelhandel meist nicht erkennen. Auf dem Carlsplatz stand natürlich der Firmenname am Stand, aber viele Fleischereien und Delikatessengeschäfte, die unsere Produkte vertrieben, taten dies, ohne den Namen Siebendt zu erwähnen.
    PS hatte meine Reaktion auf seine Mitteilung beobachtet und grinste nun. »Sag es ruhig.«
    Ich legte ihm meine Überlegungen zur fehlenden Wiedererkennung unserer Marke im Einzelhandel dar und konnte bereits während ich sprach, an seinem ungeduldigen Nicken erkennen, dass das Argument überholt war.
    »Deswegen werden wir eine Marke für den Endverbraucher entwickeln.«
    »Sehr gut«, sagte ich spontan. Das eröffnete ganz neue Marketingmöglichkeiten.
    »Deshalb ist es ganz gut, dass die Vereinbarung mit den Fernsehköchen etwas zäh läuft. Auch in dem Segment können wir mehr erreichen, wenn wir erst die Einzelhandelsmarke positionieren und dann mit den Kochshows ins Fernsehen kommen.«
    Ich nickte und machte mir einen Vermerk, dass ich bei den Anfragen momentan keinen

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