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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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nachzumachen, und wir prusteten gemeinsam los.
    »Und was war deine Rolle bei dieser Besichtigung?«, fragte ich in die allgemeine Heiterkeit hinein.
    »Ach, ich kannte da jemanden in dem Park«, winkte er ab, aber ich hätte schwören können, dass das nicht die ganze Wahrheit war.
    Ich wusste immer noch nicht, was er getrieben hatte, bevor er zu Hot Spott gestoßen war. Ich hatte keine Ahnung, wie er an den Fensterputzjob gekommen war, denn die Geschichte von der Urlaubsvertretung für einen Freund war doch ziemlich dürftig. Womit verdiente er sein Geld? Wo wohnte er überhaupt? Und warum verheimlichte er alle diese Dinge vor uns?
    Natürlich nahm ich Mamas rosafarbenen Koffer. Natürlich schämte ich mich. Und das wurde noch schlimmer, als ich PS vor der Abflughalle am Flughafen traf. Völlig entgeistert starrte er das bunte Knallbonbon an, das ich hinter mir herzerrte. Es kostete ihn deutlich sichtbare Überwindung, den Blick von dem hässlichen Monstrum zu wenden, mir indie Augen zu schauen und ein Lächeln zustande zu bringen. Und selbst dann war das Lächeln nicht ganz fehlerfrei.
    »Tut mir leid, ich hatte keinen Koffer und es ist mir zu spät eingefallen und …«
    Auch meine sonstige Erscheinung schien PS zu überraschen. Ich trug eine Kombination meiner neu erstandenen Outdoorklamotten. Er trug Anzug und Hemd.
    »Wir haben gleich nach der Landung einen Termin mit einem unserer Lieferanten«, verkündete er mit einem Blick auf die zahlreichen Taschen meiner Safarijacke.
    »Ach …« Mehr fiel mir dazu nicht ein. Ich spürte, wie ich bis in die Haarwurzeln errötete. Meine Ohren glühten.
    »Ich kann mich ja noch schnell umziehen«, schlug ich vor, nahm meinen Koffer und wuchtete ihn wieder auf meinen Koffertrolley.
    »Ganz ruhig«, sagte er und sein Lächeln hatte schon fast wieder die normale Strahlkraft. »Wir sind ja noch lang unterwegs.«
    Das half mir nicht, denn obwohl ich natürlich wusste, dass wir einen Zwischenstopp in Frankfurt hatten und dann mit dem Nachtflug nach Windhoek flogen, obwohl ich wusste, dass wir uns kurz vor der Ankunft im Flieger frisch machen konnten, obwohl ich also eine zweite Bluse und Wäsche und Socken mitgenommen hatte, entsprach auch dieser Teil meiner Garderobe dem Stil der Gesamtausstattung. Kurz gesagt: Ich hatte in meinem Bordgepäck keinen Hosenanzug dabei. Wohl aber in meinem grässlichen rosafarbenen Koffer.
    In der Damentoilette der Abfertigungshalle gelang es mir trotz der beklemmenden Enge, einen Hosenanzug und eine hellblaue Bluse anzuziehen und auch das Bordgepäck neu zu sortieren. Da aber die knöchelhohen Stiefel beim besten Willen nicht mehr in den Koffer passten, musste ich sie anbehalten.
    Warum zum Teufel hatte PS mir nicht einfach den Reiseplan gezeigt?
    Ich war in meinem bisherigen Leben zwei Mal geflogen. Das erste Mal flogen meine Eltern mit Daniel und mir nach London. Das war in Daniels zweitem Semester auf dem Weg zum Finanzguru oder Spekulant oder Börsengenie. Welche dieser drei kriminellen Karrieren er einschlagen wollte, wusste er damals noch nicht genau, aber dass er reich werden wollte, bevor er dreißig war, das hatte er bereits beschlossen.
    Daniel also wollte nach London, um die City zu sehen, mein Vater wollte zur Queen und Mama kam mit, weil sie nicht allein zu Hause bleiben wollte. Ich war zwölf und wollte zu Madame Tussauds. Ich war von uns vieren die Einzige, die im Flugzeug nicht gekotzt hat. Jahre später flog ich mit einer Freundin pauschal nach Mallorca, woran unsere Freundschaft zerbrach, weil wir uns beide in denselben Engländer verliebten. Beide Flugreisen waren das, was landläufig mit dem Begriff »Billigflieger« beschrieben wird.
    Kein Vergleich zu dem Erlebnis an der Seite meines Chefs, der als Vielflieger Vorzugsbehandlungen bekam, von denen ich nicht einmal gewusst hatte, dass sie überhaupt existierten.
    Man kümmerte sich um unser Gepäck. Man brachte uns in eine Lounge, in der ein kalt-warmes Buffet von exquisiter Qualität die anwesenden Gäste erfreute. Man brachte eiskalten Champagner in den gewünschten Mengen. Man sagte uns fünfzehn Minuten vor Abholung Bescheid, wann die Limousine käme, und brachte uns auf direktem Weg und unter Umgehung von Bussen oder Flugsteigen über das Rollfeld bis ans Flugzeug. Im Flugzeug waren die Platzverhältnisse deutlich komfortabler als in meiner Wohnung, dasEssen war ebenfalls besser, der Champagner kälter und das Unterhaltungsangebot geradezu galaktisch gut – wenn man

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