Möhrchenprinz - Roman
»Äh, äh …«
PS blickte mich mit gerunzelter Stirn an, dann lachte er. »Du bist sprachlos.«
Ich nickte. Dann drehte ich mich wieder zum Fenster und schaute fasziniert hinaus. Ich musste zugeben, dass die Schönheit der Landschaft unter mir dem schönen Mann an meiner Seite eindeutig den Rang ablief.
Nach der Landung und einer Taxifahrt zu den Aussichtspunkten taten wir, was alle Touristen tun: schauen, staunen, kreischen, wenn uns eine Gischtwolke traf – na gut, ich kreischte. PS ließ sich nicht anmerken, dass er bis auf die Haut durchnässt wurde. Aber selbst er staunte.
»Ich war schon sieben Mal hier und bin immer wieder beeindruckt«, sagte er lächelnd. »Das musste ich dir unbedingt zeigen.«
Ich strahlte ihn an und nickte. Worte hatte ich schon lange keine mehr.
Wir verbrachten die Nacht im beeindruckenden Victoria Falls Hotel, das noch den Charme der Kolonialzeit ausstrahlte – einschließlich einiger Möbel, die in ihrem Abnutzungszustand aussahen, als seien sie seit der Eröffnung weder ersetzt noch repariert worden. Die abgewetzten Sitzbezüge und zerschlissenen Teppiche passten eigentlich nicht zu den fünf Sternen, aber PS hatte uns auch hier eine absolute Vorzugsbehandlung erkauft, die die leichten Ausstattungsmängel, die mich sowieso nicht störten, mehr als wettmachte.
Ich will nicht alle Details dieses und der kommenden Tage ausbreiten, nur so viel: Der Abend im Victoria Falls Hotel war angenehm, aber kurz, denn schon um neun Uhr fielen mir die Augen zu. PS brachte mich zu meinem Zimmer,gab mir einen Kuss auf die Wange und verschwand wieder nach unten. Zur Bar, wie ich vermutete.
Am nächsten Vormittag stand wieder ein Geschäftstermin an, zu dem der Partner ins Hotel kam, nachdem wir gefrühstückt hatten. Genauer gesagt hatte PS schon gefrühstückt, wie mir die Dame von der Rezeption erklärte, die mich um halb acht telefonisch weckte. Sie richtete mir aus, dass der Termin um neun Uhr im Konferenzsaal im ersten Stock stattfände, und so hatte ich ausreichend Zeit für Dusche und Frühstück, bevor ich mit PS einem Mann gegenüber saß, der wie eine schlechte Kopie von Crocodile Dundee aussah. Er redete in einer Mischung aus Englisch und Afrikaans auf PS ein, wobei ich selbst vom Englischen höchstens die Hälfte verstand.
»Er kann uns neue Lieferquellen erschließen. Henk wird übermütig, da ist es gut, mehrere Eisen im Feuer zu haben«, flüsterte PS mir in einer kurzen Gesprächspause zu, die unser Geschäftspartner nutzte, um auf Kosten der Siebendt GmbH ein längeres Auslandstelefonat zu führen.
Wir verließen Victoria Falls nach einem leichten Mittagessen und flogen westwärts Richtung Küste. Ich war ausgeschlafen und satt und musste eine Entscheidung treffen: Weiter aus dem Fenster sehen, wo der Ausblick mich mehr faszinierte als alles, was ich je gesehen hatte, oder endlich mein Ziel weiterverfolgen, meinem Boss in dieser Woche näherzukommen. Ich entschied mich für Option Nummer zwei.
»Wie oft warst du schon hier?«, fragte ich, während ich meine Augen krampfhaft auf PS richtete, damit sie nicht den Elefantenherden folgten, die unter uns gemächlich ihres Weges zogen.
»Fünfzehn oder zwanzig Mal, genau weiß ich es nicht.Bei einer der ersten Reisen ist ja überhaupt die Idee entstanden, Wildfleisch aus Namibia zu importieren.«
»Und vorher hatte Siebendt nur Rind und Schwein im Angebot?«
»Wir waren genauso wie alle anderen Großfleischereien. Ob du bei Großmäster A oder Großmäster B kaufst, macht ja schon lange keinen Unterschied mehr. Alle Mastbetriebe füttern dasselbe Futter, also Maissilage oder importiertes Sojaschrot. Auf so einem Markt kann man kein Alleinstellungsmerkmal entwickeln.«
Das war mir nicht neu, aber wenn man jemandem näherkommen wollte, sollte man ihm nicht gleich über den Mund fahren, wenn er olle Kamellen von sich gab.
»Und du warst zufällig in Namibia, hast hier Wildfleisch gegessen und dir gedacht: Das sollten wir auch verkaufen?«
Er lachte. »Ja. Ziemlich genau so war das. Meine erste Reise hierher habe ich kurz nach dem Abitur unternommen. Wir waren ein paar Freunde von der Schule, hatten noch Zeit bis zum Studium und wollten etwas erleben. Also haben wir eine Safaritour gebucht.«
»Eine Fotosafari«, sagte ich.
»Nein. Eine richtige Safari.«
Ich schluckte.
»Damals war das noch nicht so ein Drama wie heute – oder sagen wir, es war noch nicht so teuer.«
Er grinste mich an. Natürlich wusste ich, dass neben
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