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Mönchsgesang

Mönchsgesang

Titel: Mönchsgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Krieger
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der Prunk des Konrad eher wie der eines besseren Bauern. Und manchmal fand Mathäus ein diebisches Vergnügen daran, dies dem arroganten Konrad durch geschickt lancierte Äußerungen auch mitzuteilen. Der Herr von Merode und seine nicht minder affektierte Gattin, Elisabeth von Grafschaft, drohten dann sichtlich aus der Haut zu fahren, doch in der Regel besaßen sie genug Selbstbeherrschung, dem Dorfherrn keine Bosheiten an den Kopf zu werfen. Sie wussten, dass der Markgraf große Stücke auf seinen Beamten hielt. Und das gute Verhältnis zum Jülicher durfte keinesfalls durch belanglose Streitigkeiten mit dem durch ihn eingesetzten Dorfherrn getrübt werden.
    Mathäus spähte durch das trübe Fensterglas. Auf einer Wiese jenseits des Gästehauses mühten zwei Laienbrüder sich ab, ein stures Rindvieh mittels einer Leine von der Stelle zu bewegen. Oben, am Himmel, jagten dunkle Wolkenbänder einander. Wahrscheinlich würde es bis zum nächsten Regenguss nicht mehr lange dauern. Nach einem trockenen Sommer warf der Herbst nun immer mehr den Schatten seiner Herrschaft voraus.
    Mathäus kehrte zu seiner Pritsche zurück und setzte sich. Immer wieder suchten ihn die gleichen Fragen heim, wie von selbst, ohne dass er seinen Geist ernsthaft bemühen musste. Wer hatte Bruder Adam getötet? Und vor allem, warum? Wem konnte daran gelegen sein, einem Greis das Lebenslicht auszuhauchen, dem ohnehin nicht mehr viel Zeit auf dieser Welt blieb? Was hatte es mit der weißen Lilie auf sich? War sie wirklich eine Todesbotin aus dem Jenseits?
    Mathäus schüttelte den Kopf. Es fiel ihm schwer, an solcherlei Geschichten zu glauben. Irgendwer – vermutlich der Mörder – musste Bruder Adam diese mysteriöse Todesbotschaft hinterlegt haben. Was hatte er bloß damit bezweckt? Warum kündigte er sein Vorhaben in solcher Weise an?
    Aber das waren weiß Gott nicht die einzigen Fragen, die den Dorfherrn verwirrten. Auch das Verhalten des Priors erschien ihm merkwürdig. Einerseits wurde er das Gefühl nicht los, dass Anselm etwas verheimlichen wollte. Andererseits: Warum hatte er ihn überhaupt rufen lassen, wenn es wirklich etwas zu vertuschen gab? Ging es ihm tatsächlich nur um eine Bescheinigung, die er dem Generalprior präsentieren wollte? Und: War das seltsame Verlangen nach dieser Bescheinigung nicht ein Eingeständnis, dass hier nicht alles mit rechten Dingen zuging?
    Mathäus blies seine Backen auf. Gefühlsmäßig hielt er den Prior eigentlich für einen guten Menschen. Und wahrscheinlich war er auch ein guter Ordensmann. Aber Gefühle konnten täuschen. Er wünschte, dass sein Freund Heinrich bei ihm wäre. Heinrich vermochte wie kein anderer in die Seelen anderer Menschen einzudringen. Wahrscheinlich würde er auch eine Antwort auf folgende Frage finden: Warum hatte der Prior den Brand der Scheune, bei dem in der vergangenen Woche immerhin ein Mensch ums Leben gekommen war, nicht mit einem Wort erwähnt? In einem abgelegenen Kloster wie Schwarzenbroich geschahen nicht viele Dinge, die vom festgelegten Alltag abwichen. Bruder Adams Tod war also nicht die einzige Tragödie hinter diesen Mauern hier gewesen. Warum also hatte der Prior nichts davon berichtet? Ob es hier sogar irgendwelche Zusammenhänge gab?
    Zwei jauchzende Stimmen auf dem Flur rissen Mathäus aus seinen Gedanken. Es war eindeutig, dass dort ein Mann und eine Frau ein paar lautstarke Neckereien austauschten.
    »Wirst du wohl davon bleiben«, befahl die penetrant helle Frauenstimme unter albernem Gelächter.
    »Zier dich nicht so, du Luder, du willst es doch«, antwortete der Mann rau und erntete erneut ein Kichern.
    Als diese Spielchen nach einer Weile noch immer kein Ende fanden, erhob Mathäus sich von seiner Pritsche um nachzusehen. Zwei überraschte Gesichter wandten sich ihm zu, als er räuspernd die steinerne Treppe hinaufblickte, auf der die beiden Gestalten in ihrem Tun kurz innehielten. Mathäus hatte sie offenbar in einer pikanten Situation erwischt; der Rock des Frauenzimmers befand sich in verdächtiger Unordnung, doch das schien den beiden wenig peinlich zu sein. Das Frauenzimmer fuhr mit dem Gegacker fort, und Mathäus war sich sicher, dass ihre rote Lockenpracht von einer Perücke herrührte. Das feuerrote Haar des Mannes dagegen schien echt zu sein, ebenso sein roter Bart, der wild in seinem Gesicht wucherte und seinen Träger wahrscheinlich älter machte, als er in Wirklichkeit war. Seine etwas überproportionierte Nase war von zahlreichen

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