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Mönchsgesang

Mönchsgesang

Titel: Mönchsgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Krieger
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dem Hammer zu fassen und schleuderte den Angreifer stöhnend von sich. Der Blatternarbige taumelte gegen die Wand, wo sich ein Schild, der ein verblichenes Wappen trug, aus der Aufhängung löste und mit einem glockenartigen Geräusch auf seinem Kopf landete. Wie im Schneckentempo glitt er, mit dem Rücken an der Wand entlang, zu Boden.
    »Der Schild stammte aus der Stauferzeit«, jammerte der Wirt, doch seine Worte gingen im allgemeinen Gelächter unter.
    Die beiden noch verbliebenen Burschen sahen einander unsicher an. Auch sie hatten sichtbare Läsionen davongetragen. Auf der Stirn des einen klaffte ein blutender Riss, während der andere sein schmerzendes Knie rieb. Ihre Anstifter wälzten sich kampfunfähig über die Dielen, doch das Gejohle und die höhnischen Kommentare der Kollegen wollten sie nicht auf sich sitzen lassen. Mit einem wütenden Schrei preschten sie noch einmal vor, doch der Tisch, der ihnen plötzlich entgegenflog, ließ auch sie zu Boden gehen. Von splitternden Brettern umgeben blieben sie diesmal unten.
    Tosender Applaus wurde laut. Heinrich ließ sich schnaubend auf einen Hocker fallen. Sein Gesicht war von roten Schwellungen überzogen, und aus seiner Nase tropfte Blut. Außerdem pochte die kaum vernarbte Wunde an seiner Schulter fürchterlich. Wie benommen nahm er das Mädchen hinter dem Schanktisch wahr, das ihn inbrünstig anhimmelte und nicht auf den Wirt achtete, der mit lamentierenden Gesten um sie herumhüpfte.
    Im nächsten Augenblick stürmte eine schwarze, knurrende Bestie in die Wirtsstube.
    »Gib dir keine Mühe, Chlodwig«, seufzte Heinrich und betastete mit einem Finger seine aufgeplatzten Lippen. »Du kommst – wie immer, wenn man dich braucht – zu spät!«
    Der Hund senkte schuldbewusst den Kopf. Die Männer machten eiligst eine Gasse frei, als er auf seinen Herrn zutrottete.
    Heinrich wollte sich soeben erheben, als er an der Tür einen ihm bekannten rothaarigen Burschen stehen sah, der seine Augen ungläubig über das Trümmerfeld schweifen ließ.
    »Dietrich! Was um alles in der Welt machst du denn hier?«
    Der Diener schluckte. »Euch suchen, Herr.« Mit einem fassungslosen Blick auf die am Boden wimmernden Verletzten schritt er Heinrich entgegen. »Wart Ihr das etwa?«, staunte er.
    »Ja, leider.«
    »Alleine?«
    »Da mein treuer Hund lieber auf läufige Hündinnen steigt, anstatt seinem in Bedrängnis geratenen Herrn zu helfen, musste ich mich dieser Kerle notgedrungen selbst erwehren.«
    Chlodwig gähnte, und Dietrich bekam den Mund nicht mehr zu.
    »Du suchst mich also?«, riss Heinrich den Diener aus seinem Staunen.
    »Ja, Herr.«
    »Lass mich raten: Der gute Mätthes braucht meine Hilfe!«
    »Ja, Herr. Er sagt, es sei dringend!«
    »Sieh mal einer an. Sag bloß, in Merode ist schon wieder der Teufel los. Seit wann suchst du mich?«
    »Seit gestern.«
    Heinrich pfiff durch seine blutverschmierten Zähne. »Respekt! Du bist wahrlich ein schneller Finder, Dietrich.«
    »Na ja, wenn ich Euer Mondk… äh, Euren Hund nicht in dieses Wirtshaus hätte springen sehen, hätte es wohl noch etwas länger gedauert.«
    »Dann ist er ja wenigstens zu etwas nütze. Lass uns sofort auf den Weg machen.«
    »Moment mal«, rief der Wirt mit Nachdruck. »Und wer kommt für den Schaden auf, den Ihr hier angerichtet habt?«
    Heinrich hob die Achseln und bückte sich nach dem Silbergulden, der im Kampfgetümmel zu Boden gefallen war. Im hohen Bogen flog die Münze durch die Stube und landete klimpernd auf dem Schanktisch.
    »Reicht das?«, wollte Heinrich wissen.
    Der Wirt nickte schluckend.
    Unter den neugierigen Blicken der tuschelnden Gäste verließen Heinrich, Dietrich und Chlodwig das Gasthaus ›Zu den Heiligen Drei Königen‹.

16
    D er Dorfherr stieß einen schweren Seufzer aus, als der letzte Bedienstete den Vorraum der Burgkapelle verlassen hatte. Vor ihm, auf dem kleinen Pult, das er sich hatte herbringen lassen, lag ein weißes Pergament, doch außer einiger weniger, belangloser Notizen war es unbeschrieben. In einem plötzlichen Anfall von Wut und Enttäuschung zerknüllte er es und schmiss es über die Schulter nach hinten.
    Dabei war er von seiner eigenen Idee so angetan gewesen: Sowohl Konrads als auch Rikalts Gesinde hatte vor ihm erscheinen müssen. Und das an der Stätte des Attentats, ein durchdachter Kniff, mit dem er an der schuldbewussten Seele des Täters rütteln wollte. Nacheinander waren Mägde, Zofen, Knechte, Knappen und Pagen vorgetreten, doch niemand

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