Mönchsgesang
jauchzte dieser.
»Findet Ihr? Tja, es ist eben was Besonderes. Nicht umsonst behauptet man von meinem Bier, dass es …«
»Schon gut, Leo«, schnitt Mathäus dem Wirt das Wort ab. Er deutete auf das Pergament, das ausgebreitet vor ihnen auf dem Tisch lag und von Notizen nur so übersät war. »Wir haben hier zu tun!«
Leo nickte verständnisvoll und watschelte davon.
»Fahrt nur fort und lasst euch durch mich nicht stören«, meinte Dreyling unschuldsvoll.
Mathäus sah Heinrich flehend an, doch der schien köstlich amüsiert zu sein. »Wir sollten tun, was dein Vater sagt: fortfahren!«, schmunzelte er.
Nach einem ausgiebigen Blick auf seine Notizen wurde Heinrich wieder ernst. »Zunächst einmal will ich zusammenfassend wiederholen, was sich in diesem Kloster zugetragen hat!« Er atmete tief durch und straffte die Schultern. »Vergangenen Montag«, hub er schließlich an, »suchte Bruder Walraf, der Cellarius der Kreuzherren von Kloster Schwarzenbroich, Herrn Rikalt von Merode oder besser gesagt dessen Vormund Paulus auf. Er bat ihn im Namen seines Priors, den Dorfherrn von Merode – also dich! – für eine Leichenbeschauung zum Kloster zu entsenden. Natürlich wurde ihm diese Bitte nicht abgeschlagen.«
Mathäus nickte. Erleichtert stellte er fest, dass sein Vater keine Kommentare von sich gab.
»Schwarzenbroich ist ein noch sehr junges Kloster«, sprach Heinrich weiter, »keine zehn Jahre alt. Gewisse Baulichkeiten sind noch nicht vollendet, andere befinden sich sogar noch in der Planung. Entsprechend klein ist der Konvent.
Anselm, der Prior, der dich empfängt, ist offenbar ein gewissenhafter und gottesfürchtiger Mann, wenn auch durch die Ereignisse um ihn herum zu einem Nervenbündel geworden. Jedenfalls teilt er dir mit, dass demnächst eine Visite des Generalpriors anstehe. Der Tod eines alten Mönches jedoch habe eine gewisse spirituelle Unruhe unter den Mitbrüdern ausgelöst. Grund: Der Verstorbene, Bruder Adam, fand wenige Tage vor seinem Tod eine weiße Lilie auf seinem Platz in der Klosterkirche. Die weiße Lilie aber gilt in den Legenden der Mönche als Todesbotin aus dem Jenseits. Im Konvent jedoch wird schon längst von Mord gemunkelt. Aus diesem Grund sollst du eine natürliche Todesursache bestätigen, um den Brüdern die Furcht und dem Generalprior den Argwohn zu nehmen. Leider musst du aber feststellen, dass Bruder Adam durchaus keines natürlichen Todes gestorben ist. In seinem Mund findet sich ein Fetzen seines Kissens. Offensichtlich wurde er damit erstickt.«
Wieder nickte Mathäus. Er hing wie gebannt an den von Kampfspuren gezeichneten Lippen des Freundes. Auch Dreyling schien den Ausführungen trotz seines besäuselten Zustandes interessiert zu folgen.
»Der Prior ist wie vor den Kopf geschlagen. Du ordnest eine Befragung des gesamten Konvents an, die am Nachmittag im Kapitelsaal stattfindet. Nun lernst du auch die anderen Mönche genauer kennen: Neben dem Prior und dem kühlen Cellarius besteht der Konvent zu diesem Zeitpunkt aus Engelbert, dem Subprior und Novizenmeister, Notker, dem Prokurator, Theodor, dem Bibliothekar, und Edmond, dem alten Gärtner. Ferner gibt es noch zwei junge Novizen, die auf Anselms Anordnung bei der Befragung allerdings nicht anwesend sein dürfen. Die Wesenszüge all dieser Männer hast du mir hinreichend beschrieben. Zu der Befragung später mehr. Denn noch weitere Tatsachen verdienen unbedingte Aufmerksamkeit.«
Er nippte an seinem Becher, bevor er fortfuhr. »Schon bei deiner Ankunft hattest du die verkohlten Reste einer Scheune registriert. Später erfährst du von den Novizen, dass beim Brand dieser Scheune wenige Tage zuvor ein Knecht namens Odo – angeblich betrunken – ums Leben gekommen ist. Und dass dieser Knecht sich mit Männern vergnügte. Letzteres vermutet Ritter Norbert von Kerpen, ein jovialer und unflätiger Kerl, ein schamloser Schürzenjäger, den die Mönche hassen wie Bauchschmerzen. Norbert von Kerpen lebt im Gästehaus des Klosters, denn sein Vater hat dem Konvent einst großzügige Spenden zukommen lassen. Norbert und der ermordete Adam waren wie Katze und Hund.
Zurück zu der Befragung im Kapitelsaal: Du erfährst, was Norbert dir zuvor ebenfalls schon andeutete: Bruder Adam war zwar inbrünstig fromm, aber streng und halsstarrig gegenüber seinen Mitbrüdern. Deswegen scheint er nicht sonderlich beliebt gewesen zu sein. Nur der alte Edmond, der ihn seit seiner Novizenzeit kannte, wusste ihn richtig zu
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