Mönchsgesang
niemals jemandem auch nur ein Sterbenswörtchen über seinen Vater verraten. Deshalb bin ich ihr unendlich dankbar.«
»Und deshalb bringt Ihr ihr von Zeit zu Zeit ein paar Nahrungsmittel vorbei«, ergänzte Mathäus.
Der Bauer nickte. »Wir mögen uns immer noch«, erklärte er mit einem matten Lächeln. »Aber uns verbindet keine Liebschaft mehr.«
»Darüber schuldet Ihr mir keine Rechenschaft«, winkte Mathäus ab. »Mich interessiert vielmehr, ob Ihr vorgestern, bei Eurem heimlichen Besuch auf Burg Merode, Herrn Konrad begegnet seid.«
»Nein, Herr.« Wieder erschien dieser gehetzte Ausdruck in seinen Augen.
»Und Ihr wart auch nicht im Vorraum der Burgkapelle?«
»Nein, Herr. Glaubt mir, ich habe den Herrn Konrad nicht niedergeschlagen. Obwohl …«
»Obwohl was, Wiprecht?«
»Ich glaube, wenn ich die Gelegenheit dazu bekäme, würde ich ihm auch eins über den Schädel brennen.« Er biss sich auf die Unterlippe, als bereue er seine Worte bereits.
Mathäus zog eine Schnute. »So stimmt also die Geschichte, die man sich erzählt? Die Geschichte von Konrads Angebot?«
Wiprecht nickte. »Im vergangenen Frühjahr kam einer von Konrads Knappen hierher«, erzählte er mit kaum verhohlener Wut. »Er teilte mir mit, dass Herr Konrad bereit wäre, auf die diesjährige Abgabe zu verzichten, wenn ich meine Älteste eine Nacht lang …«, er versuchte, sich die Worte des Knappen ins Gedächtnis zurückzurufen, »… entbehren könnte.«
Mathäus überlegte. Im April hatte Elisabeth von Grafschaft ihre Eltern für mehrere Wochen in ihrer Heimat besucht. »Und was habt Ihr ihm geantwortet?«
»Gar nichts. Ich habe ihn da hingetreten, wo es einen Mann am meisten schmerzt.«
»Habt Ihr Edeltrud davon erzählt?«
»Niemals hätte ich das getan. Aber dummerweise hatte uns irgendeiner der Lausbuben aus der Nachbarschaft belauscht. Später hat der gottverdammte Bengel es dann im Dorf breitgetreten. Natürlich kam die Sache auch meiner Tochter zu Ohren. Seitdem lebt sie in ständiger Angst vor Herrn Konrad.«
Und deshalb hatte sie solche Angst vor mir, überlegte Mathäus. Auch er verspürte in diesem Augenblick einmal mehr den fast unbezwingbaren Drang, Konrad zu erwürgen.
Wiprecht ballte unwillkürlich seine Fäuste. »Aber es ist nicht nur die Angst allein«, sagte er. »Edeltrud glaubt seitdem, es sei ihre Schuld, dass es uns nicht besser geht.«
»Ihr habt richtig gehandelt, Wiprecht«, sagte Mathäus aufmunternd. »Auch wenn ich Konrads Knappen auf andere Weise einen abschlägigen Bescheid erteilt hätte. Aber Ihr könnt stolz auf Euch und Eure Tochter sein.«
»Sie soll kein Opfer der Sünde werden – so wie ich einst.«
Mathäus erhob sich. »Gut. Das war's dann. Ich danke Euch, Wiprecht.«
Fast ungläubig sah der Bauer zu ihm hoch. »Ihr glaubt mir also?«
»Ja. Und ich möchte Euch noch einen guten Rat geben: Sollte Herr Konrad oder einer seiner Leute Euch in Zukunft irgendwelche Schwierigkeiten machen, wendet Euch zuerst an mich. Habt Ihr verstanden?«
»Ja, Herr. Danke.«
Der Dorfherr ließ eine Münze auf den Tisch fallen. »Hier! Vielleicht könnt Ihr damit schon einen kleinen Teil Eurer Schuld bei Herrn Konrad abtragen.«
Der Bauer suchte verdutzt nach Worten, doch Mathäus hatte das Haus bereits verlassen.
Der Regen war noch stärker geworden. Wieder setzte Mathäus zu einem Spurt an, doch auf dem Dorfanger rutschte er aus und flog der Länge nach in den Matsch. Fluchend rappelte er sich hoch. Schließlich erreichte er sein Haus und betrat, immer noch böse vor sich hin schimpfend, die Stube.
Lauthalses Lachen empfing ihn. Jutta und Maria, die am Tisch saßen und Gemüse putzten, waren köstlich amüsiert. Dreyling indessen saß auf seinem Bett und betrachtete unbeteiligt eine von Marias Holzpuppen.
»Auch wenn mein Herz einen Riesensatz macht, euch hier zu sehen, so wünschte ich mir etwas weniger Spott bei der Begrüßung«, sagte Mathäus, dessen Groll langsam zu schwinden begann.
»Du solltest dich sehen, mein Goldstück«, schniefte Jutta. »Siehst aus wie ein Bär, der sich im Schlamm gesuhlt hat.«
»Schlammbär! Schlammbär!«, krächzte Maria begeistert und wurde von einem Besorgnis erregenden Hustenanfall heimgesucht. Mathäus zuckte mit den Achseln und begab sich in einen kleinen Nebenraum, wo er seine Kleider wechselte. Als er die Stube wieder betrat, hustete Maria immer noch.
»Die ganze Zeit geht das jetzt so«, erklärte Dreyling mit einem vorwurfsvollen Blick auf
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