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Mönchsgesang

Mönchsgesang

Titel: Mönchsgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Krieger
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er sich, von seinem Vater so ostentativ belehrt worden zu sein. »Diese schreckliche Kunigunde hat mich eben total verwirrt«, murmelte er.
    »Was ist die Pest?«, schniefte die kleine Maria.
    Jutta küsste zärtlich ihre Stirn. »Nichts, worüber du dich sorgen müsstest.«
    »Gut. Dann sollten wir jetzt etwas frühstücken«, schlug Dreyling vor.
    Bald saßen sie alle um den Tisch und löffelten einen Getreidebrei. Maria war in eine große Decke gehüllt und musste von Zeit zu Zeit von ihrer Ziehmutter zum Essen bewegt werden.
    »Lass sie nur, wenn sie nicht mag«, sagte Dreyling. »In wenigen Tagen ist sie wieder die Alte. Oh, ich vergaß«, fügte er mit gespielter Kränkung hinzu. »Ihr braucht meine Ratschläge ja gar nicht.«
    Jutta lächelte ihn verlegen an. »Doch, Eure Ratschläge sind mir willkommen, Herr Dreyling.« Plötzlich wurde sie ernst. »Wenn es Ratschläge bleiben«, ergänzte sie, ohne die Augen von ihm abzuwenden.
    Dreyling hörte auf zu kauen und sah sie lange an. »Es tut mir Leid, wenn ich gestern Abend etwas laut war und euch geweckt habe«, verkündete er. »Es wird nicht wieder vorkommen.«
    Jutta und Mathäus wechselten einen überraschten Blick. Dreyling widmete sich wieder seinem Brei.
    Lautes Rufen, das von der Dorfstraße herkam, ließ sie schließlich aufhorchen.
    »Was ist denn da los?«, wunderte sich Dreyling.
    Mathäus erhob sich, um nachzusehen. »Wahrscheinlich wieder ein Schwein, das an verbotenen Orten scheißt«, erklärte er mürrisch.
    Als er vor die Tür trat, richteten sich ungefähr zwei Dutzend Mistgabeln auf ihn. Verdutzt starrte Mathäus in die Gesichter der zahllosen Bauern und Knechte, die da drohend vor ihm standen. Von der anderen Straßenseite beobachteten einige wild palavernde Bäuerinnen und Mägde den Schauplatz.
    »Darf ich fragen, was das soll?«, fragte Mathäus entgeistert.
    »Bitte, bleibt, wo Ihr seid, Herr!«, antwortete einer der Bauern entschlossen.
    »Und wieso?«
    »Weil das Kind da drinnen die Pest hat!«
    Wie erleichtert atmete Mathäus auf. »Ach, das meint Ihr. Keine Sorge, die Kleine hat nicht die Pest. Es ist die Fleckenkrankheit.«
    Hatte er damit gerechnet, dass die Männer seine Erklärung mit Erleichterung zur Kenntnis nehmen würden, so sah er sich nun getäuscht. Im Gegenteil, ihre Mienen wurden noch ernster, ihre Gebärden kein bisschen nachgiebiger.
    »Bleibt, wo Ihr seid!«, wiederholte der Bauer.
    Der Dorfherr schluckte und sah sie der Reihe nach an. »Männer, seid doch vernünftig. Hermann, Neidhardt, Eberhard …! Was ist bloß los mit euch? Ich sagte, die Kleine hat die Fleckenkrankheit!«
    »Woher wollt Ihr das wissen?«, brüllte Kunigunde von hinten.
    »Holt die Sibylle her, sie wird es Euch bestätigen!«
    »Ach, Sibylle«, winkte ein Knecht ab. »Wer glaubt denn noch diesem senilen Kräuterweib?« Die anderen nickten zustimmend.
    Die Bäuerin Frieda straffte die Schultern, so dass ihr gewaltiger Busen sich nach vorne stülpte. »War nicht gestern Euer seltsamer Freund zu Besuch? Und kam er nicht aus Köln?«
    »Heinrich und Maria sind sich überhaupt nicht begegnet!« Mathäus sah in ihren Mienen, dass sie sein Argument nicht zur Kenntnis nehmen wollten. Er strich sich fassungslos durch die Haare. Hinter ihm war inzwischen sein Vater erschienen. »Was wollen diese Volltrottel?«
    »Sie hindern uns daran, das Haus zu verlassen. Sie glauben, Maria habe die Pest.«
    »Hat der Schwarze Tod erst einmal Einzug in unser Dorf gehalten«, erklärte einer der Männer wie zur Entschuldigung, »dann wird bald keiner von uns mehr am Leben sein!«
    »So ein Quatsch!«, bellte Dreyling. »Ihr habt doch selbst Kinder, oder nicht?« Er trat einen Schritt nach vorne. »Es handelt sich hier um …«
    »Stehen bleiben!« Die Mistgabeln zuckten entschlossen. Mathäus hielt seinen Vater fest.
    Auch der Bauer Wiprecht war inzwischen am Versammlungsort eingetroffen. Offensichtlich fühlte er sich Mathäus verpflichtet. »Wie könnt Ihr es wagen, den Dorfherrn …«
    »Halt's Maul, Wiprecht«, unterbrach man ihn unwirsch.
    »Komm, lass uns hineingehen, Vater«, murmelte Mathäus tonlos. Die Männer kehrten in die Stube zurück und warfen die Tür hinter sich zu.
    »Und was jetzt?«, fragte Jutta, die den Disput verfolgt hatte.
    »Nun bleibt zu hoffen, dass die Kerle bald wieder zur Vernunft kommen«, erwiderte Mathäus niedergeschlagen.
    Dreyling lachte hohl. »Sie werden uns noch das Dach überm Kopf anzünden, diese Idioten.«
    Mathäus

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