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Mönchsgesang

Mönchsgesang

Titel: Mönchsgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Krieger
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Lämmleins, das unter einem klapprigen Tisch hervoräugte, riss Mathäus aus seinen Gedanken.
    »Bring das Tier jetzt raus!«, befahl die Bäuerin einem ihrer Sprösslinge mit spröder Stimme. Der Bursche sprang auf, packte das strampelnde Lamm und eilte aus der Stube.
    »Und sag dem Vater, er soll kommen!«, rief die Mutter ihm nach. »Sag ihm, der Herr Mathäus ist hier!«
    Mathäus verschränkte die Arme hinter seinem Rücken und schenkte den immer noch glotzenden Kindern ein mildes Lächeln. Edeltrud hatte ihre Näharbeiten wieder aufgenommen, wobei sie es im Gegensatz zu ihren jüngeren Geschwistern tunlichst vermied, den Dorfherrn weiter anzustarren. Als ob sie ein aufkommendes Unwetter fürchtete, sinnierte Mathäus.
    Die Bäuerin hatte sich inzwischen zur Feuerstelle begeben und rührte in dem Topf. »Wollt Ihr mit uns essen, Herr?«, fragte sie über ihre Schulter.
    »Nein, nein«, beeilte Mathäus sich zu antworten. »Aber vielen Dank für Eure Gastfreundschaft.«
    Nach einer Weile betrat Wiprecht, gefolgt von seinem zappligen Söhnchen, die Stube und sah den Dorfherrn mit großen Augen an. Mathäus entging nicht, wie seine Lippen unter dem schwarzen Schnauzbart nervös bebten.
    »Herr Mathäus? Was gibt mir die Ehre?«
    »Ich hätte Euch gerne gesprochen, Wiprecht.«
    »Jetzt?«, fragte der Bauer verunsichert.
    »Ja.«
    »Hier?«
    »Ich weiß, dass Ihr sehr viel Arbeit habt, Wiprecht. Deshalb ersparte ich Euch eine Vorladung und suche Euch selbst auf.«
    Sofort war es mucksmäuschenstill in der Stube. Die Bäuerin hielt inne in ihrer Tätigkeit, ohne sich freilich umzudrehen. Edeltrud ließ Nadel und Faden auf ihren Schoß sinken, doch auch sie traute sich nicht, aufzusehen. Selbst die Kleinen schienen die Tragweite der Worte des Dorfherrn zu begreifen. Das Klimpern ihrer Murmeln hatte aufgehört.
    »Eine Vorladung?« Wiprecht zwang sich zu einem schmalen Lächeln. »Habe ich etwas verbrochen?«
    »Das hoffe ich nicht«, erwiderte Mathäus mit gespreizten Händen.
    Der Bauer schluckte. Dann wandte er sich an Frau und Kinder. »Raus hier!«, befahl er laut.
    Die Frau sah ihn entsetzt an.
    »Raus, habe ich gesagt! Alle!«
    Die Bäuerin scheuchte die flüsternden Kleinen zur Tür hinaus. Gemeinsam mit Edeltrud, ihrer Ältesten, verließ sie als Letzte die Stube. Wiprecht vergewisserte sich, dass niemand an der Tür lauschte, bevor er Mathäus einen Platz am Tisch anbot und sich ihm schließlich gegenübersetzte. Sein Gesicht war totenbleich geworden.
    »Also?«, fragte er hohl.
    Mathäus faltete seine Hände über der Tischkante und sah ihn offen an. »Wart Ihr vorgestern auf der Burg?«, fragte er geradeheraus.
    Wieder schluckte Wiprecht. »Warum?«
    »Die Fragen stelle ich, Wiprecht. Also: Wart Ihr dort?«
    Ein verzweifeltes Auflachen war die Antwort.
    Mathäus zog die Stirn kraus. »Darf ich dies als ein Ja verstehen?«
    »Ja. Ich war vorgestern auf der Burg.«
    »Wann?«
    »Am frühen Morgen.«
    »Was habt Ihr dort gemacht?«
    »Ich habe … Eier abgeliefert. Und etwas geräucherten Speck.«
    »Ich nehme an, dies waren Abgaben für Herrn Konrad?«
    Wiprecht zögerte mit der Antwort. »Nein, Herr«, sagte er schließlich.
    »So? Das überrascht mich allerdings. Zumal Ihr mit Euren Abgaben erheblich im Rückstand seid, wie ich weiß. Wem also habt Ihr den Speck und die Eier gebracht?«
    Wiprecht sah sich um wie ein gehetztes Wild. Seine Stimme ging in ein beschwörendes Flüstern über. »Ihr dürft meiner Frau nichts verraten, Herr. Und Ihr dürft mich nicht verurteilen.«
    »Ich bin nicht Euer Beichtvater«, sagte Mathäus ruhig. »Aber meine Frage solltet Ihr dennoch beantworten.«
    Wiprecht nickte verzweifelt. »Die Sache ist so …« Mühsam rang er nach Worten. »Auf Burg Merode gibt es im Gesinde Rikalts eine Frau namens Guta.«
    »Die Köchin?«
    »Ja, die!«
    »Ich kenne sie. Weiter!«
    »Nun …« Wiprecht zupfte an seinem Schnauzbart. »Vor vielen Jahren hatten Guta und ich ein Verhältnis. Bevor Ihr fragt: Ja, ich war damals bereits verheiratet. Und wir hatten auch schon Kinder.« Beschämt senkte er seinen Kopf. »Eines Tages«, fuhr er fort, »teilte Guta mir mit, dass sie schwanger sei. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Guta aber stellte mir keinerlei Bedingungen. Wir beendeten unsere Affäre, und wenige Monate später brachte sie einen Sohn zur Welt.«
    »Den kleinen Benno!« sagte Mathäus nachdenklich. Wiprechts Augen begannen feucht zu glänzen. »Benno ist mein Sohn. Und Guta hat

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