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Mönchsgesang

Mönchsgesang

Titel: Mönchsgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Krieger
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Einen lang Augenblick lang wusste er nicht, wo er sich befand. Dann spürte er das knisternde Stroh unter seinem Kopf und vernahm das laute Schnarchen seines Vaters, der zusammengekrümmt neben ihm lag. Im Bett schlummerten Jutta und Maria; schützend hatte die Ältere einen Arm um das Kind gelegt.
    Mathäus erinnerte sich: Spät am Abend, als die beiden Mädchen bereits schliefen, war sein Vater in die Stube gepoltert; nur mit Mühe hatte Mathäus ihn überreden können, seinen Gesang zu beenden. Trotzdem war die kleine Maria wach geworden. Die ebenfalls erwachte Jutta hatte die Kranke mit einem Lied wieder in den Schlaf gesummt. Dreyling hatte sich indessen der Länge nach auf den Strohhaufen plumpsen lassen und noch eine Weile vor sich hin gebrummt. Schließlich war auch er eingeschlafen.
    Das Pochen an der Tür wurde energischer. Mathäus erhob sich ächzend von seinem Nachtlager, bekleidete sich hastig und schritt zur Tür. Am liebsten hätte er sie sogleich wieder ins Schloss geworfen, als er draußen Kunigundes erhitztes Gesicht erblickte. »Die Schweinescheiße liegt immer noch da!«, blökte sie.
    Mathäus rieb sich seufzend ein Auge. »Welche Schweinescheiße?«
    »Die im Backhaus. Hat man Euch nicht darüber unterrichtet?«
    »Doch, aber … Es gibt im Moment wirklich wichtigere Angelegenheiten als …«
    »Wichtigere Angelegenheiten, he? Nur, weil irgendein Hornochse dem edlen Herrn Konrad eins über den Schädel gezogen hat, dürfen die Unterdörfler Mist machen, so viel sie wollen, wie?«
    Mathäus hob beschwichtigend eine Hand. Es gehörte in der Tat zu seinen Aufgaben, die Einhaltung der Vereinbarungen zwischen Unter- und Oberdörflern zu überwachen. Schließlich hatte er diese Regelungen zum größten Teil selbst festgelegt. Aber sein Kopf war voll mit anderen Dingen: Morde in einem Kloster, ein Attentat auf einen der Herren von Merode, der nervenaufreibende Besuch seines Vaters – was interessierte ihn da die Schweinescheiße im Backhaus? Allerdings gedachte er nicht, sich deswegen mit der Bäuerin zu streiten. »Frau Kunigunde, ich werde mich bald um die Angelegenheit kümmern«, versprach er.
    Kunigunde aber starrte mit einem Male an ihm vorbei, als hätte sie eine Erscheinung.
    »Alles in Ordnung, Frau Kunigunde?«
    Sie schien wie aus Stein gemeißelt. Erst jetzt bemerkte der Dorfherr, dass die kleine Maria hinter ihm stand. Oh, natürlich, überlegte er, jetzt ist der Grundstein für ein paar deftige Gerüchte gelegt. Andererseits konnte er sich den abgrundtiefen Schrecken im Gesicht der dicken Bäuerin nur schwer erklären. Diese trat nun mehrere Schritte zurück.
    »Der Schwarze Tod! Der Schwarze Tod!«, kreischte sie schließlich. Sie presste eine Hand auf ihren Mund, stolperte fast über einen Stein und lief schnaufend und schreiend davon. »Das Kind hat die Pest!«, hallte es durch das Dorf.
    Mathäus sah die Kleine verwirrt an. Nun erkannte er, was Kunigunde so in Panik versetzt hatte: Marias Gesicht war übersät mit kleinen, roten Flecken. Auch ihr Hals und ihre Arme waren davon gezeichnet. Ein siedend heißer Schreck fuhr durch seinen Körper.
    »Was hat die Tante?«, fragte Maria mit heiserer Stimme.
    »N-nichts, mein Engel«, stotterte Mathäus. Hilfe suchend spähte er in die Stube. Auch Dreyling und Jutta waren durch Kunigundes Geschrei geweckt worden.
    »War das schon wieder diese dusselige Bäuerin?«, gähnte Dreyling und reckte sich.
    »Bitte schaut euch mal das Kind an«, beschwörte Mathäus sie leise.
    Sofort eilten Dreyling und Jutta herbei. Juttas Gesicht wurde leichenblass. »Nein«, stammelte sie. Maria sah sie mit großen Augen an. Offensichtlich war ihr nicht klar, warum sich plötzlich alle für sie interessierten. Jutta beugte sich zu ihr herunter und drückte sie fest, als habe sie das Kind eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Tapfer unterdrückte sie ein Schluchzen.
    »Was habt ihr denn?«, fragte Dreyling unwillig.
    Mathäus stieß ihn an. »Hast du die roten Flecken nicht gesehen?«, flüsterte er.
    »Doch, habe ich. Und?«
    »Das ist die Pest!«
    »Pest, Pest! So ein Quatsch!«, trompetete der Vater. »Glaubt mir, die Pest sieht anders aus. Ich weiß, wovon ich rede.«
    Jutta sah hoffnungsvoll zu ihm hoch. »Aber was ist es dann?«
    »Man merkt, dass ihr noch keine Blagen in die Welt gesetzt habt. Das Kind hat die Fleckenkrankheit! Auch ihr habt sie einst gehabt. Fast jedes Kind bekommt sie irgendwann.«
    Mathäus atmete erleichtert auf. Andererseits ärgerte

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