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Mönchsgesang

Mönchsgesang

Titel: Mönchsgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Krieger
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aus seinen eingefallenen Augen ließ er Heinrich stehen und verschwand im Klostergebäude.

22
    I ch will nicht länger im Bett liegen«, quäkte die kleine Maria. »Ich will spielen!« Ihr immer noch leicht fremdländischer Akzent mit den rollenden R's verlieh ihrer Stimme einen drolligen Klang.
    »Aber du willst doch bald wieder gesund werden?«, sprach Jutta ihr zu.
    »Ich will spielen!«, beharrte das Kind.
    Dreyling beobachtete die beiden vom Tisch aus. Er hatte seine verschränkten Arme auf den Tisch abgestützt und schien von einer tiefen Nachdenklichkeit befallen. Neben ihm saß sein Sohn, der mit herausgestülpter Zungenspitze an dem sakralen Lindenklotz herumschnitzte. Ab und zu flogen ein paar Holzschnitzel über den Tisch und verfingen sich in Dreylings Gewand, doch der Alte schien es nicht zu bemerken.
    »Lass das Kind ruhig ein wenig spielen, Jutta«, sagte er schließlich, vergaß hierbei diesmal nicht, ein gutmütiges Lächeln in sein bärtiges Gesicht zu zaubern.
    Jutta sah zu ihm herüber. Auch Mathäus hielt in seiner Tätigkeit inne.
    Dreyling rieb sich verlegen ein Ohrläppchen. »Ich wollte Euch nicht wieder belehren«, sprach er wie zur Entschuldigung. »Aber da ich weiß, dass die Fleckenkrankheit nicht zu einer sonderlichen Beeinträchtigung des Wohlbefindens führt, solltet Ihr die Kleine ruhig ein wenig durch die Stube hüpfen lassen.«
    »Meint Ihr wirklich?«, wunderte sich Jutta.
    »Sicher. Mein kleiner Mathäus hat sich seinerzeit auch nicht davon abhalten lassen, die Hühner mit ihren eigenen Eiern zu bewerfen.«
    »Lass doch bitte diese alten Geschichten«, winkte Mathäus mürrisch ab.
    Maria aber hatte Dreylings Worte durchaus registriert. Seine Empfehlung war wie eine Aufforderung für sie. Sie griff nach der Holzpuppe, die die Bettruhe bislang brav mit ihr geteilt hatte, und hüpfte mit kaum für möglich gehaltenem Schwung aus dem Bett. Jutta zwinkerte ihrem Geliebten lächelnd zu und spreizte ratlos die Hände.
    Dreyling betrachtete die Kleine, die, ihre Puppe fest an die Brust gedrückt, vor ihm erschienen war und ihre putzigen Zähnchen präsentierte, als wolle sie sich bei ihm für die wiedergewonnene Freiheit bedanken.
    »Na, wie heißt denn deine Puppe?«, wollte Dreyling wissen.
    »Hein!«, antwortete Maria, wobei sie verlegen ihren Oberkörper hin und her drehte.
    »Hein?« Dreyling hob verwundert eine Augenbraue.
    »Sie ist ein großer Verehrer von ihm«, erklärte Mathäus schulterzuckend.
    »Ach so. Na ja, warum auch nicht. Aber vielleicht solltest du ihr dann besser das zugehörige Mondkalb schnitzen, anstatt dich mit der Heiligen Jungfrau herumzuquälen.«
    »Hein ist krank!«, sagte Maria ernst.
    »Was, der auch?« Dreyling nahm an der Besorgnis der Kleinen teil und betrachtete die Holzpuppe eingehend. »Was hat er denn?«
    »Lauter rote Flecken«, erklärte Maria.
    »Oh, tatsächlich. Jetzt seh ich's auch. Dann sollten wir Hein schleunigst ins Bett bringen.« Er nahm die Kleine bei der Schulter und führte sie zum Bett, das sie eben erst verlassen hatte. Dort saß immer noch Jutta und sah den beiden entgegen. Ihr Gesicht verriet Staunen.
    »Würdest du dich bitte vom Bett erheben, Jutta?« Dreyling machte eine gebietende Handbewegung. »Wie du siehst, haben wir hier einen Patienten, der das Bett dringend benötigt.«
    »Wie? Sicher.« Jutta sprang hoch.
    »Danke sehr.« Dreyling schlug die Decke zurück, und Maria legte die Puppe sanft auf das Kissen.
    »Jetzt musst du ihn zudecken«, sagte Dreyling.
    Maria tat es. Sie zupfte so lange an der Decke herum, bis nur noch Heins Kopf zu sehen war. Wieder sah sie mit drolliger Ernsthaftigkeit zu Dreyling hoch. »Hein hat Fieber«, erklärte sie.
    »Wirklich? Dann müssen wir ihn erfrischen. Jutta, bitte sei so nett und hol uns eine Schüssel Wasser und ein Tuch.«
    »Wie? Oh, natürlich. Sofort.« Sie schritt zum Herd, um kurz darauf mit dem Gewünschten zurückzukommen.
    Dreyling nickte ihr wohlwollend zu und nahm die Sachen entgegen. Das Tuch tauchte er in die Schüssel, wrang es aus, reichte es der Kleinen. »Hier, damit musst du Heins Gesicht betupfen«, ordnete er an.
    Maria tat, wie ihr geheißen. »Armer, armer Hein«, summte sie leise.
    »Von wegen armer Hein«, meinte Mathäus, der die unfertige Jungfrau inzwischen von sich geschoben hatte und schmunzelnd zum Bett herübersah. »Wenn Hein wüsste, dass er gerade von seiner kleinen Freundin gewaschen wird, hätte er sicherlich seine helle Freude.«
    Eine ganze

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