Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)
Schlüter schüttelte den Kopf, Frau Laube zuckte mit den Schultern. Barbara legte nach: »Deren Mutter, Uta Schultz, war Bibliothekarin am Lateinamerika-Institut.«
»Ach so, ja, dann …« Frau Laube setzte sich aufrecht. »Mein Mann hat wenig von seinen Kollegen erzählt, für ihn waren das alles Versager. Diese Bibliothekarin hat er sicher mal erwähnt. Und Uwe hat erzählt, dass deren Tochter auch am Ostseegymnasium ist. War. Was ist denn mit dieser … wie war der Name?«
»Lena Schultz. Sie ist Opfer des Tötungsverbrechens, von dem Sie in der Zeitung gelesen haben.«
Beide zuckten zusammen, und in den Augen der Mutter sammelten sich sogar Tränen. Bevor Barbara etwas fragen konnte, läutete es am Gartentor.
Um sein Gewissen zu beruhigen, hatte Uplegger beschlossen, nach Groß Klein Dorf zu fahren und sich an Barbaras Seite zu stellen: Er fand sie wohlauf, und nach einigem Hin und Her wurde ihnen gestattet, Uwe Laubes Zimmer in Augenschein zu nehmen. Dr. Schlüter begleitete sie, die Mutter hatte nicht mitkommen wollen. Es ging eine enge Treppe hinauf, Barbara fragte: »Was für einen Wagen fährt Ihr Stiefsohn?«
»Stiefsohn? Das würde er nicht gern hören.«
»Das habe ich begriffen. Was für einen Wagen?«
»Einen gebrauchten. Honda Civic.«
»Farbe?«
»Dunkelblau.«
Das Licht im Obergeschoss ging ohne Zutun an, ausgelöst durch ihre Bewegung. Es war nur schummrig, und als Uplegger um eine Ecke bog, schrak er heftig zusammen: Totenschädel grinsten ihn an. Erst nach einer Schrecksekunde wurde er gewahr, dass es sich um Plakate und Fotos handelte.
»Ich war auch geschockt, als ich es zum ersten Mal sah«, sagte Schlüter. Zwei große Plakate an der Zimmertür warben für die Ausstellung Schädelkult. Kopf und Schädel in der Kulturgeschichte des Menschen , die in den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim und dann noch einmal auf Schloss Gottorf in Schleswig gezeigt worden war. Farbige und laminierte Computerausdrucke rahmten die Plakate. Ein verzierter Schädel mit eingesetzten Augen aus unbekanntem Material grinste besonders intensiv, was ihm einen lebendigen Eindruck verlieh. Die Bildunterschrift lautete: Mask of the god Tezcatlipoca. Aztec-Mixtec culture. British Museum, London. Auf einem zweiten Fotoausdruck beugte sich ein Krieger über einen am Boden liegenden Mann: Effigy pipe with decapition scene. Mississippian culture. National Museum of the American Indian, New York. Und schließlich Fragment of a diadem in the form of the decapitator deity. Moche culture. The Metropolitan Museum of Art.
Alles war um einen Spruch gruppiert, der das Zentrum der Inszenierung bildete:
ER HAT WEDER VATER NOCH MUTTER, ER HAT NUR SEINEN SCHATTEN. Huayno aus Peru
»Die Enthauptungsgottheit«, murmelte Barbara. Sie hatte das starke Gefühl, an diesem falschen Ort richtig zu sein.
Uplegger klopfte auf den Spruch: »Was ist ein huayno?«
»Ein indianisches Tanzlied.« Schlüter griff nach der Klinke. »Wissen Sie, Uwe spricht nur selten mit uns. Wenn, dann hält er Vorträge. Sein Vater hat eine Dissertation über den Schädelkult geschrieben. Uwe konnte sie wohl fast auswendig.« Er stieß die Tür auf, machte Licht. »Und dieses Tanzlied soll wohl ausdrücken, dass er seine Mutter und mich verstoßen hat. Er konnte nie akzeptieren, dass wir zusammenleben.« Bevor er ins Zimmer voranging, tippte er auf die Plakate. »Uwe hat seine Ausbildung nicht beendet. Nach einem Jahr muss er im Internet auf diese Ausstellung in Mannheim gestoßen sein. Als sie noch vorbereitet wurde. Er bewarb sich um ein Praktikum, und weil er sich so hervorragend mit den präkolumbianischen Kulturen auskannte, nahmen sie ihn mit Kusshand. Die Lehre schmiss er.« Ein fast irres Lächeln huschte über sein Gesicht. »Und entdeckte die Mumien.«
Schlüter trat ein. Barbara folgte ihm als Erste. Ihr Blick wurde sofort von dem Glasschrank mit den Tierschädeln gefesselt.
Uplegger fragte: »Was hat es mit den Mumien auf sich?«
Schlüter ging zielstrebig zur Bücherwand, zog einen größeren Band heraus, hielt ihm das Titelbild entgegen. Der blaue Schutzumschlag trug die Abbildung eines mumifizierten Kopfes. Der Titel lautete: Mumien. Der Traum vom ewigen Leben. Es war der Katalog einer Ausstellung an den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen.
»In Mannheim betreiben sie das sogenannte German Mummy Project , und Uwe durfte den Projektleiter sogar nach Bozen begleiten zum zweiten Weltmumienkongress.« Er lachte kurz und trocken. » Second
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