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Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)

Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)

Titel: Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinstorff-Verlag
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Uplegger schaute zum Fenster hinaus über das Gärtchen zu anderen, von gelben Laternen erleuchteten Reihenhäusern, auf deren Fassaden das Salz blühte. »Sie haben Ihren Mann losgeschickt, den Ring zu suchen und so die Gerechtigkeit wiederherzustellen.«
    Sie trocknete die Augen und steckte das Tuch hinter den Bund der Leggins. »Schön gesagt, aber nicht ganz korrekt: Ich wollte überhaupt erst Gerechtigkeit herstellen; von wieder kann keine Rede sein.«
    Uplegger sah sie an. »Haben Sie Ihre Schwester gehasst?«
    »Und wie!« Lisa schlug mit der knochigen Hand auf den Tisch. »Und damit Sie’s wissen: Ich habe ihr sogar den Tod gewünscht. Schon als ich ein Kind war.«
    »Danke.« Uplegger erhob sich. Frau Meyer brachte ihn zur Tür. Draußen war die Luft sehr feucht, Nebelschwaden wogten um die Lampen. »Ich werde Ihren Mann mit Ihrer Aussage konfrontieren. Vermutlich kommt er heute noch frei.«
    Sie nickte. Klein, schmal und krank stand sie in der Tür. Ihr Hass war so groß, dass sie sich zu Tode hungerte, um ihren Vater zu bestrafen. Eine Tochter hatte er schon verloren. Für Lisa war das sicher ein Ansporn, ihn so bald wie möglich kinderlos zu machen.
    Durch die geschlossenen Fenster drang das anheimelnde Rauschen der Pappeln. Schlüter hatte sich neben seine Partnerin gesetzt und schenkte Tee ein.
    »Ursprünglich wollte Uwe in die Fußstapfen seines Vaters treten«, sagte Frau Laube, »aber zugleich wollte er Rostock nicht verlassen …«
    »Um uns unter Kontrolle zu haben«, platzte Schlüter heraus. Barbara horchte auf.
    »Bitte, Hagen!« Sie ergriff seine Hand. »Lateinamerikanistik kann man in Rostock nicht mehr studieren, aber romanische Sprachen. Im ersten Anlauf hat er keinen Studienplatz bekommen, also entschied er sich für eine Ausbildung. Taxidermie.«
    »Was ist das?«, fragte Barbara.
    Sie rümpfte leicht die Nase. »Taxidermie bezeichnet das Präparieren von Tierkörpern.«
    »Tiere präparieren konnte er schon als Kind«, meinte Schlüter. »Er hat sich immer dafür interessiert, und so habe ich ihn auch einmal an mein Institut mitgenommen, sozusagen als vertrauensbildende Maßnahme. Machen wir uns nichts vor, Vroni, er hat mich von Beginn an abgelehnt.«
    »Welches Institut?«
    Schlüter trank einen Schluck.
    »Anatomisches, in der Gertrudenstraße. Ich zeigte Uwe die Anatomische Lehrsammlung, weil ich wusste, dass er sich besonders für Schädel interessiert. Es gibt dort die von Friedrich Merkel angelegte historische Schädelsammlung mit Exponaten aus Europa, Asien, Afrika und Südamerika. Der peruanische Langschädel hat es ihm besonders angetan.«
    »Er war viel zu jung dafür«, warf Frau Laube aufgebracht ein.
    »Wie alt?«
    »Höchstens 12 oder 13.«
    »Aber er hat sich schon für all diese Sachen mit dem Schädelkult interessiert«, rechtfertigte sich Schlüter noch jetzt, zehn Jahre später.
    Veronika Laube zog die Mundwinkel herab. »Diesen Floh hat ihm sein Vater ins Ohr gesetzt.«
    »Aber Uwe war sechs, als sein Vater verschwand«, konstatierte Barbara. »Er wird doch nicht mit einem kleinen Kind über solche Dinge gesprochen haben.«
    »Was denken Sie, worüber er mit ihm alles gesprochen hat. Er hat den Jungen immer überfordert. Hat ihm diese schrecklichen Bilder von Menschenopfern gezeigt … Ich erinnere mich noch, wie sie im Garten lagen und von Mexiko träumten, von den alten Tempeln, über deren Stufen sich einst Ströme von Blut ergossen …« Sie bekam einen Schluckauf und hielt die rechte Hand vor den Mund. Hagen Schlüter schaute sie besorgt von der Seite an.
    »Ihr Sohn war dementsprechend enttäuscht, als Ihr Mann ihn nicht mitnahm nach Mexiko«, bemerkte Barbara.
    »Er ist enttäuscht, bis heute; so kommt er mir manchmal vor«, sagte Schlüter. »Sein Zimmer gleicht einem Museum für den verschollenen Vater. Uwe scheint von der ganzen Welt enttäuscht zu sein, auch von mir, weil ich ihm keinen Ausbildungsplatz am Anatomischen Institut verschaffen konnte. Er glaubt, ich hätte mich nicht genug eingesetzt. Aber ich konnte überhaupt nichts für ihn tun, weil nur das Zoologische Institut zufällig gerade einen Präparator ausbilden wollte. Das ist ein rarer Beruf, aber anstatt froh zu sein, überhäufte er mich mit Vorwürfen.«
    Barbara straffte ihren Oberkörper.
    »Ich möchte sein Zimmer sehen.«
    »Ja, aber warum? Was ist mit Uwe?«
    »Sagt Ihnen der Name Lena Schultz etwas?« Barbara forschte in den Gesichtern ihrer Gegenüber nach Zeichen des Erkennens.

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