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Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)

Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)

Titel: Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinstorff-Verlag
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als mögliche Mörder Laubes von den guatemaltekischen Behörden ins Gespräch gebracht worden: sehr bequeme Sündenböcke, die sich seit dem Friedenschluss im Visier der arbeitslosen Todesschwadronen befanden. Nicht zu vergessen waren die klassischen Motive wie Habgier oder Eifersucht, die für jemanden mit Laubes Frauenverbrauch immer gefährlich werden konnten. Auch Selbstmord schien möglich, immerhin war diesem Mann seine berufliche Perspektive weggebrochen. Vielleicht war Laube auch gar nicht tot, sondern einfach untergetaucht. Das jedoch fand Uplegger nach so vielen Jahren am unwahrscheinlichsten.
    Lisa und Aaron Meyer bewohnten im Reihenhausviertel eines dieser Billigbauwerke, bei denen die Keller durch hässliche Schuppen ersetzt wurden und auf deren Mauerwerk bereits nach der Schlüsselübergabe die Salzblumen zu blühen begannen. Ein Carport verschandelte die Ziegelfassade, aber ansonsten hatte man es sich nett gemacht: Halbgardinen, Pflanzen und Kürbisse zierten die Fenster, und im winzigen Vorgarten verkümmerte Ginster. Die Kürbisse erinnerten Uplegger daran, dass bald Halloween war und Marvin erklärt hatte, er werde dieses Kinderereignis als Cannabispflanze überstehen. Damit wollte er seinen Vater ärgern, aber ein bisschen war der doch auch gespannt, wie man sich als Hanf verkleidete.
    Er läutete. Die Klingel spielte, tatsächlich, Hänschen klein .
    Die Tür, an der ein Erntekranz aus Plastik hing, wurde geöffnet. Eine extrem dünne Frau erschien, die schwarzblaue Augenringe hatte und schon tiefe Falten im Gesicht. Ihre violetten Leggins und das schwarze T-Shirt betonten keine Figur, sondern ein Skelett. Wenn das keine Magersucht war, dann wusste Uplegger nicht, was Magersucht sein sollte. Oder war es Krebs im Endstadium? Nein, dann hätte Meyer etwas gesagt, um möglichst schnell frei und zu ihr zu kommen.
    »Ja?«, fragte sie und fieberte ihn aus ihren Totenaugen an.
    »Uplegger, Kriminalpolizei. Ich würde gern mit Ihnen sprechen, Frau Schultz.«
    »Wieso?« Es war sozusagen ihre Stimme, die erblasste, denn ihr Teint konnte nicht mehr heller werden. Nur eine geringe Ähnlichkeit mit Lena war zu erkennen, aber das war auch nicht verwunderlich bei diesem kranken Aussehen.
    »Was denken Sie? Natürlich komme ich wegen Ihrer verstorbenen Schwester.«
    »Ja, ja … Ich bin … Bitte, kommen Sie doch herein.«
    Sie führte ihn ins Wohnzimmer, dessen großes Fenster den Blick auf die Parzelle freigab: ein bisschen Rasen, ein paar Beete, eine kleine Terrasse.
    »Ihr Sohn schläft?«, fragte Uplegger, bevor er auf der raumgreifenden düsteren Kunstledercouch Platz nahm. Aus der benachbarten Küche roch es nach Erbrochenem.
    Sie schüttelte den Kopf. »Er ist für eine Woche bei meinen Eltern. Die brauchen Trost.«
    »Sie nicht?«
    Sie zuckte mit den Schultern.
    »Brauchen Sie keinen Trost, Frau Meyer?«
    »Wir waren Schwestern, keine Freundinnen.«
    ***
    Das Haus am Groten Enn weckte in Barbara fast schon vorweihnachtliche Stimmungen. Es war ein moderner Fachwerkbau mit Strohdach und gekreuzten Pferdeköpfen am First, und aus mehreren Fenstern fiel warmes Licht. Barbara konnte eine Balkendecke sehen, ein hölzernes Bücherregal und einen antiken Glasschrank, wie ihn in ihrer Kindheit Großmütter zu haben pflegten. Etwas makaber mutete ein beleuchteter Kopf im ersten Stock an. Da war wohl eine Maske über einen Kürbis gezogen worden, aber diese Maske wirkte ziemlich lebensecht und schien sogar die Züge von Lena Schultz zu haben – die Anspannung gaukelte Barbara etwas vor. Außerdem war bald Allerheiligen, ein Fest, dessen Vorabend auch in Deutschland seit Jahren als Halloween begangen wurde.
    Von der Warnow her zog Nebel durch das Dorf. Barbara stieg aus dem Wagen und fröstelte. Sie drückte auf einen Klingelknopf neben der Pforte des niedrigen Holzzauns, der das Grundstück umgab. Eine Minute später erschien ein großer Endvierziger im Hauseingang. Er trug einen Anzug, keine Krawatte, dafür Pantoffeln.
    »Ja, bitte?«
    »Herr Dr. Schlüter?«
    »Wer will das wissen?«
    »Die Kriminalpolizei.«
    Barbara wurde in das riesengroße Wohnzimmer gebeten, das an drei Wänden Fenster hatte, ein Grund, warum man das Bücherregal mitten in den Raum gestellt hatte. Vor einem Kamin mit Kunstfeuer standen sich zwei weiße Couches gegenüber, dazwischen lag ein flauschiges synthetisches Eisbärenfell. Barbara musste in diesem Haushalt zwar nicht ihre Schuhe ausziehen, aber dafür bekam sie übergroße

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