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Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)

Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)

Titel: Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinstorff-Verlag
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eingerichtet, wie man es bei einer pensionierten Deutsch- und Englischlehrerin erwarten durfte: Rechts von der Tür befand sich ein deckenhohes Bücherregal, das die gesamte Wand einnahm. Es gab auch die DDR-obligatorische Anbauwand noch, im rechten Winkel zu den Regalen stehend und nur aus drei Elementen zusammengefügt, eine kurze oder verkürzte Schrankwand also. Das Furnier war an manchen Stellen abgestoßen. Die Auslegware war hellgrau, ebenso die Übergardinen. Die Fenster befanden sich gegenüber der Tür, darunter stand eine Couch mit bräunlich-beige geripptem Bezug, einigen sehr bunten Kissen und einer verknautschten rosa Acryldecke. Der Tisch vor der Couch hatte eine Platte aus Plastikmarmor. In der linken Wand gab es einen Durchgang, zwischen dessen Tür und der Fensterfront hing ein Gemälde, das ein Segelschiff im Sturm zeigte, darunter war ein einzelner Sessel schräg ins Zimmer gerückt. Der Sessel oder genauer gesagt, was sich neben ihm befand, hatte dazu geführt, dass Uplegger noch immer im Türrahmen verharrte: ein Beatmungsgerät.
    »Nun gehen Sie ruhig hinein«, sagte Frau Nerdich in seinem Rücken. »Ausgerechnet Sie zögern? Sie müssen das menschliche Elend doch kennen … Wer, wenn nicht Sie?«
    Er schaute über die Schulter, sah das Tablett mit Kaffeegeschirr in ihren Händen, zweifellos kein teures Meißen-Ming, aber immerhin mit Zwiebelmuster. Seltsam, dachte Uplegger, dass man ein aus Granatäpfeln und Pfirsichen bestehendes Dekor Zwiebelmuster nannte. Seine Frau hatte ihm das wohl einmal erklärt, aber er erinnerte sich nur, dass es sich um die erfolgreichste Blauglasur der Porzellangeschichte handelte, die ihr Vorbild bei den Ming hatte.
    Frau Nerdich stellte das Gedeck auf den Tisch, Uplegger setzte sich auf die Couch. Entgegen seinem Willen wurde sein Blick immer wieder von dem Gerät mit der Sauerstoffmaske angezogen, bis die alte Dame schließlich erklärte: »COPD, Chronic Obstructive Pulmonary Disease , zu deutsch Chronische obstruktive Bronchitis oder volkstümlich Raucherlunge. Fast 40 Jahre Qualmen fordern ihren Preis.« Sie zuckte mit den Achseln. »Aber es ist noch ein weiter Weg bis zu den Endstadien Pink Puffer oder Blue Bloater , also rosa Schnaufer bzw. blau Aufgedunsener. Wer möchte auch blau aufgedunsen sein – das hört sich ja nach Leiche an.«
    »Apropos«, sagte Uplegger.
    »Sie haben doch nicht etwa eine Leiche im Haus gefunden?« Frau Nerdich war neben Erschrecken auch eine gewisse Sensationslust anzumerken.
    Uplegger schüttelte den Kopf. »Wir haben aber Blut gefunden, viel Blut, das an ein Tötungsverbrechen denken lässt. Und wir haben Grund zu der Annahme, dass dieses Verbrechen kurz nach 22 Uhr verübt worden ist. Sie kamen vorgestern spät nach Hause und …«
    Sie fiel ihm ins Wort: »Was heißt spät? Es war noch nicht einmal elf. Müssen Frauen meines Alters nach dem Sandmann ins Bett? Oder halten Sie mich für eine Herumtreiberin, weil ich um diese Zeit noch auf der Straße war?«
    »Nein, natürlich nicht. Würden Sie mir bitte sagen, woher Sie kamen?«
    »Ja, das sage ich Ihnen. Wenn ich den Kaffee eingeschenkt habe.« Was sie rasch tat. »Ich treffe mich einmal im Monat mit alten Kolleginnen zum Kaffeklatsch, der meistens erst nach dem Abendbrot endet. Wir machen das reihum, vorgestern war unsere Älteste dran, Hannelore Beckmann, Bei der Tweel 1. Wir trinken nicht nur Kaffe, sondern auch Wein, und wir ziehen natürlich über die Schule und die Bildungspolitik her, die man ja nur mit ›Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln‹ charakterisieren kann. Inklusion ist momentan das Zauberwort. Schon gehört?«
    Uplegger schüttelte den Kopf.
    »Ist auch egal. Wir sind selbstredend auch der Auffassung, dass die heutige junge Generation nichts taugt und systematisch verblödet; was eben jede Generation von Alten über die Jüngeren denkt. Alles ganz normal. Oder sagt man heute nicht: Alles easy?«
    »Ja, vielleicht. Wie kamen Sie nach Hause?«
    Sie lächelte verschmitzt. »Wie ein anständiges Mädchen: ohne Herrenbegleitung.«
    »Mit den Öffentlichen?«
    »Nein, stellen Sie sich vor, ich habe ein Auto. Oh, ich sehe den Polizisten in Ihren Augen … Ich habe nur ein Glas Rotwein getrunken … und einen Kognak zum Kaffe … Zufrieden?«
    Uplegger fühlte sich ein wenig von oben herab, eben wie ein Schüler behandelt, aber er protestierte nicht.
    »Darum geht es mir nicht. Haben Sie irgendetwas Auffälliges oder Ungewöhnliches bemerkt, als Sie

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