Mörder Quote
die stille Seitenstraße. Der Mann vor ihnen bog noch zweimal um eine Ecke, dann ging er eine Treppe hinunter und verschwand in einem Lokal namens »Bacchus«.
Tanya und Nils blieben vor dem Schild stehen.
»Eine Weinstube …«, stellte Tanya fest, was natürlich völlig überflüssig war, aber ihr Zeit gab, bevor sie den letzten Schritt machten.
»Gehen wir da jetzt rein?« Nils schien zu ahnen, was ihr durch den Kopf ging.
Tanya zögerte nur einen Moment. »Ja, das tun wir!«, sagte sie, hakte sich bei Nils unter und stieß die Eingangstür mit Butzenscheiben auf.
Die Weinstube mit den geraden Holzbänken und schlichten Holztischen war gut besucht. Viele Paare saßen gemütlich zusammen, tranken Wein oder aßen Flammkuchen. Tanyas Blick glitt über die Gesichter. Sie wirkte jetzt sicher auffällig neugierig, aber das war ihr egal. Und die Menschen im Lokal waren glücklicherweise mit sich beschäftigt, obwohl eine aufgetakelte Fernsehmoderatorin im vollen Show-Ornat sonst genug Aufsehen erregt hätte.
In der letzten Ecke des Lokals an einem kleinen Tisch saß ein unscheinbarer Mann und spielte mit zwei Bierdeckeln. Einen Moment lang dachte Tanya, sie hätten wirklich den Falschen verfolgt, so zurückhaltend war alles an diesem gemütlichen Weintrinker. Wäre er eine Farbe gewesen, wäre er beige. Aber in dem Moment, als er aufsah, Tanya erkannte und sich maßloser Schrecken in seinem Gesicht ausbreitete, wusste sie: Das war ihr Castingshow-Teufel!
KAPITEL 22
»Guten Abend, Mephisto!« Tanya kam gleich zur Sache und schob sich zu dem unauffälligsten Popstar der Welt an den Tisch. Nils setzte sich auf die andere Seite.
»Das ist mein Freund Nils, mich kennen Sie ja, und wir beide möchten jetzt wissen, was Sie eigentlich vorhaben und vor allem, was das am Mittwoch auf Marco Deutz’ Jacht sollte.«
Der Teufel wirkte nicht mal überrascht. Eher müde. Er senkte langsam den Blick, und als er anfing zu sprechen, war auch seine Stimme beige, leise und etwas belegt. Meilenweit entfernt von dem pompösen Gebrüll, das er sonst in seinen Showauftritten entwickelt hatte.
»Ich plane gar nichts«, gab er leise zurück. »Und jetzt, wo Sie mich gefunden haben, muss ich das ja auch nicht mehr. Sie werden mich verraten, nicht wahr?«
Tanya kniff die Augen zusammen: »Was gäbe es denn zu verraten, Herr …?«
»Schmidtke. Hans-Werner Schmidtke«, kam es noch leiser zurück.
Tanya sah Hilfe suchend zu Nils rüber. Vielleicht war das doch der falsche Mann. Oder ein Zwillingsbruder. Wo waren denn bitte all das Poltern und die Posen von Mephisto geblieben?
Nils übernahm. »Herr … Schmidtke – Sie sind doch Mephisto, oder?«
Einen Moment lang blitzte es in den Augen ihres Gegenübers auf. »Ja, ich bin es! Schon seit fast zwei Jahren.«
Nun war Tanya vollends verwirrt. »Was meinen Sie denn mit zwei Jahren?«
»Ich habe mein Leben Mephisto verschrieben. Ich habe ihn mir verdient. Ich bin er, verstehen Sie?«
Nein, Tanya verstand gar nichts mehr. »Sind Sie in einer Sekte? Einer Art Kult?«
»Aber nein!« Die schmalen Lippen des Mannes verzogen sich zu einem müden Lächeln. »Mephisto ist eine Rolle. Aus ›Masters & Beasts‹!« Jetzt ging die Stimme wieder auf Level minus Eins zurück. »Wissen Sie, ich arbeite seit fast 20 Jahren in der Kölner Stadtverwaltung im Bereich ›Öffentliche Gewässer‹. Mein Leben ist langweilig. Ich bin brav, fleißig und tue meinen Job. Aber in › Masters & Beasts ‹ – da bin ich ein Mann mit einem Traum.«
»› Masters & Beasts ‹ – das ist ein Online-Spiel, oder?«, fragte Nils dazwischen.
Jetzt ging Tanya endlich ein Licht auf. Sie warf Nils einen Blick zu. Wahrscheinlich wusste man in seinem Alter mehr von der Welt des Online Gaming, als Tanya sich jemals anlesen könnte.
Mephisto nickte. »Ich spiele fast jeden Abend. Einfach nur zum Spaß. Erst war ich fünf Jahre › Beast ‹ und dann habe ich vor zwei Jahren die Masterprüfung bestanden. Mit Auszeichnung!« Hier hob das große Castingshow-Mysterium wieder seine Stimme, und Tanya erkannte endlich einen Hauch von dem Ehrgeiz, der ihn bis jetzt durch die Show gebracht hatte. »Ich bin sogar Master Stufe sieben! Wir sind nur knapp 2000 auf der ganzen Welt. Ein Master Mephisto ist sehr mächtig!«
»Was tut denn Mephisto in dem Spiel?«, wollte nun Nils wissen. »Singen?«
»Nein, natürlich nicht!« Jetzt wurde Herr Schmidtke fast böse. »Er ist ein Kämpfer mit dem vierten Schwertergrad. Er kämpft
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