Mörderbrunnen (German Edition)
begleiten. Jetzt konnte sie sich besser unter den Trauergästen umblicken, die sie zuvor nur von hinten gesehen hatte. Die beiden Paare, die in der ersten Reihe gesessen hatten, reihten sich direkt am Grab auf, während die anderen etwas dahinter Aufstellung nahmen. Nach ein paar kurzen Worten des Pfarrers folgte die obligatorische Zeremonie. Einige warfen Erde ins Grab und zogen dann daran vorbei, um zu kondolieren. Auf keinen Fall wollte Jenny an diesem Trauertag die Eltern belästigen, doch fiel ihr ein junges Mädchen auf, das etwa Manuelas Alter hatte. Sie folgte ihr langsam, als sie den Friedhof verließen, und auf dem Weg zum Auto sprach sie sie leise an.
„ Entschuldigen Sie bitte, kann ich Sie einen Moment sprechen?“
Das Mädchen blickte erstaunt auf.
„ Um was geht es denn? Ich glaube, ich kenne Sie nicht?“
„ Kommissarin Becker aus Frankfurt. Ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen zu Manuela Wagner stellen.“
„ Ja, natürlich. Aber warum ausgerechnet mir?“
„ Naja, viele scheinen hier nicht zu sein, die Frau Wagner nahegestanden haben. Tatsächlich sind Sie die einzige in ihrem Alter. Waren Sie mir ihr befreundet?“
„ Wir sind zusammen in die Schule gegangen und haben uns auch danach noch ab und zu gesehen. Seit sie nach Frankfurt gezogen ist, aber eigentlich gar nicht mehr.“
„ Frankfurt ist doch nicht weit weg?“
„ Das nicht, aber Manuela hatte sich verändert. Seit sie nach Frankfurt ist, wollte sie mit unserem Dorfleben nichts mehr zu tun haben. Und als sie dann auch noch gemalt wurde, ich weiß, es hört sich böse an, aber ich meins nicht so, also, als sie dann noch Model wurde, wie sie es nannte…tja, das ist ihr irgendwie zu Kopf gestiegen.“
„ Hm, sowas hab ich mir schon gedacht. Waren Sie denn überhaupt mal in Frankfurt bei ihr?“
„ Ja, aber nur einmal. Vor ein paar Monaten. Da hab ich sie in ihrer neuen Wohnung besucht.“
„ Haben Sie ihre Mitbewohnerin kennengelernt oder sonst jemanden aus dem Bekanntenkreis?“
„ Nein, niemanden. Auch sie hat von niemandem gesprochen. Nur, dass sie jetzt als Model arbeitete. Naja, war ja auch ausgesprochen schön.“
„ Hat sie denn jemals von einem Freund gesprochen? Vielleicht hier, als sie noch in Kiedrich war?“
„ Nein, das ist komisch. So schön wie sie war, aber einen Freund hatte sie nie. Als ich da war, hat sie nur von ihrem Professor geschwärmt, der der sie auch gemalt hat“
„ Dr. Gascon? Was hat sie von ihm erzählt?“
„ Ach, was für ein toller Lehrer er sei und was für ein begabter Maler. So allgemeines Zeugs halt.“
„ Hm, können Sie mir noch irgendetwas erzählen, das wichtig sein könnte?“
„ Keine Ahnung, wie gesagt, wir hatten uns aus den Augen verloren. Wissen Sie, ich bin Kindergärtnerin und lebe nach wie vor hier im Ort. Dazwischen liegen Welten.“
Jenny nickte nachdenklich und verabschiedete sich. Kurz stellte sie sich noch den Eltern vor, die sie verständnislos anblickten und, nachdem sie begriffen hatten, dass sie wegen des Mordes an ihrer Tochter hier war, recht hoffnungslos nach neuen Erkenntnissen fragten.
Eine Einladung zum Leichenschmaus lehnte sie ab und machte sich gegen vierzehn Uhr wieder auf den Weg nach Frankfurt.
Im Präsidium traf sie nur Sascha an.
„ Na, Kleiner, wie war’s in der Welt der Kunst?“
Er grinste. „Nicht wirklich spannend. Die anderen Mädels, die Herr Gascon gemalt hat, sahen nicht annähernd so gut aus wie Frau Wagner. Sie hatten alle eher, äh, interessante Gesichter.“
Nun musste Jenny grinsen. „Soso, interessante Gesichter! Und was erzählen die so?“
„ Auch nichts Spannendes. Also Gascon war immer korrekt. Hat sie bei sich zu Hause gemalt und sie dafür bezahlt, allerdings weniger als Frau Wagner. Sonst gibt’s nichts zu erzählen. Und auf der Beerdigung?“
„ Nichts, nur eine Freundin von früher. Aber die hatte praktisch keinen Kontakt mehr zu Frau Wagner. Frankfurt und Kiedrich sind eben zwei verschiedene Welten, obwohl das gar nicht so weit auseinander ist.“
„ Die Entfernung spielt heut eh keine Rolle mehr, wo doch alles über Internet und Email geht.“
„ Stimmt. In ihrem Laptop könnten wir Kontakte und so finden, aber der Täter hat wahrscheinlich alles gelöscht.“
„ Gelöschte Sachen kann man rekonstruieren. Ich hab da eine Idee! Vielleicht finden wir heraus, über welchen Provider sie ins Internet gegangen ist und kommen so an ihren Email Speicher!“
„ Sowas funktioniert?“
„
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