Mörderbrunnen (German Edition)
Möglicherweise, ich weiß nicht, inwieweit die kooperieren. Ohne ihre Emailadresse und ihr Passwort wird’s schwierig, aber versuchen könnte man es. Ich hab zum Beispiel AOL und speicher alle wichtigen Mails ab.“
„ Wir können ihre Mitbewohnerin fragen. Und in ihre Unterlagen bei der Uni können wir auch schauen, vielleicht hat sie ihre Email-Adresse angegeben. Dass wir aber auch gar nichts in ihrer Wohnung gefunden haben. Die meisten sind doch heutzutage bei verschiedenen Internetplattformen angemeldet.“
„ Ja, das muss jemand weggeräumt haben, anders kann ich mir das auch nicht vorstellen.“
„ Wo ist eigentlich Logo?“
„ In die Gerichtsmedizin. Will mal nachhaken, womit der Junge betäubt wurde und wo man das Zeug bekommt.“
„ Okay, wenn sonst nichts ist, fahr ich jetzt nach Hause. Ich hab heut Nacht Dienst, da brauch ich nochn bisschen Ruhe vorher.“
„ Dann wünsch ich eine ruhige Nacht, falls wir uns nachher nicht mehr sehen.“
Jenny fuhr nach Hause und überlegte, ob sie sich ein paar Stunden hinlegen sollte. Schlafen konnte sie zwar tagsüber meistens nicht, aber ausruhen half auch schon. Das Wetter hatte sich gehalten und mittlerweile zeigte das Thermometer an die achtundzwanzig Grad. Wenn es so weiter ging, würde es in Frankfurt unerträglich werden. Durch seine Lage in einer Senke vor dem Taunus war es hier meist wärmer als in anderen Teilen Deutschlands und dabei extrem schwül. Sie zog sich im Garten einen Liegestuhl unter den einzigen Baum und schnappte sich ein Buch. Wenn ihre Kollegen wüssten, dass sie Vampirbücher las! Aber Jeaniene Frost war und blieb eine ihrer Lieblingsautorinnen. Nach einiger Zeit döste sie doch ein, wurde aber rechtzeitig wach, um sich für den Nachtdienst fertig zu machen.
Zum Glück war nachts wenig los in der Mordkommission. Hauptsächlich erledigten sie liegengebliebenen Schreibkram. Entgegen der landläufigen Meinung passierten auch in einer Großstadt wie Frankfurt nicht dauernd Morde. Tatsächlich waren es etwa dreißig pro Jahr, wovon die meisten dem organisierten Verbrechen zuzuschreiben waren.
Jenny machte sich also auf eine gemütliche Nacht gefasst, als sie sich an ihren Schreibtisch setzte, doch diese Hoffnung wurde bald enttäuscht. Gegen einundzwanzig Uhr klingelte das Telefon.
„ Hier Dietrich vom 1. Revier. Wir haben einen Toten und es handelt sich zweifelsfrei um Mord.“
Jenny seufzte. „Was? Schon wieder?“ rutschte es ihr heraus.
„ Äh, ja, offensichtlich. Möchten Sie die Spurensicherung benachrichtigen oder soll ich das tun?“
„ Machen Sie das, ich mach mich sofort auf den Weg. Wo liegt er?“
„ Der hängt. Und zwar oben im Eschenheimer Turm.“
„ Wie bitte?“
„ Sie haben schon richtig gehört. Kennen Sie den nicht?“
„ Doch natürlich. Okay, ich bin in spätestens zwanzig Minuten da.“
Kurz überlegte sie, ob sie Logo anrufen sollte, nahm aber Abstand davon. Sie konnte sich die Sache ja erst mal alleine anschauen. Vielleicht wars überhaupt kein Mord und die Kollegen vor Ort hatten überreagiert.
Sie schaffte es in einer Viertelstunde und sah von weitem schon Blaulicht und den abgesperrten Bereich um den Turm, der früher die alte Stadtmauer bewacht hatte.
Sie quetschte ihren Golf in eine Lücke zwischen einem Streifenwagen mit Blaulicht und dem Kombi der Spurensicherung und lief auf den Eingang des Turms zu. Der Kollege an der Absperrung kannte sie vom Sehen und winkte sie durch.
„ Ganz oben, die Treppe rauf.“
Der Turm stammte aus dem Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts. Im Erdgeschoß war seit langem ein Restaurant, das jedoch einen separaten Eingang auf der anderen Seite hatte. Dies hier schien der Zugang zum eigentlichen Turm zu sein. Eine schmale Treppe wand sich in engen Kurven nach oben, um nach vier Stockwerken auf einer etwa zehnmal zehn Meter großen Plattform zu enden, die voller Menschen war.
In einer Ecke drängten sich die Mitarbeiter der Spurensicherung, während der Fotograf dabei war, Bilder zu machen. Der Kollege vom Streifendienst trat auf Jenny zu.
„ Frau Becker?“
„ Ja, das bin ich, was ist denn eigentlich passiert?“
„ Heut Abend gegen zwanzig Uhr dreißig hat ein junges Pärchen entdeckt, dass unten die Tür aufstand. Sie waren wohl neugierig und haben sich hier hochgeschlichen. Dann haben sie das hier gefunden und uns gleich angerufen.“
Mit diesen Worten trat er beiseite und gab ihr die Sicht auf die Leiche frei. Der Fotograf beendete gerade
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