Mörderbrunnen (German Edition)
einige Fragen stellen muss.“
„ Natürlich, ich bin fast immer zu Hause. Auf Wiedersehen. Ach, wann wird die, ich meine mein Mann, wann kann ich ihn beerdigen?“
„ Ich bin nicht sicher, aber ich könnte mir denken, dass er spätestens morgen freigegeben wird.“
Mit einem abschließenden „Danke“ rauschte Frau Wegener hinaus. Jenny seufzte. Da würden sie wohl noch andere aus dem Umfeld befragen müssen, um ein echtes Bild von dem Opfer zu erhalten. Am besten nahm sie sich mal den Golffreund vor, Dr. Possmann. So unter Kumpels wurde bestimmt einiges gesprochen, was die Ehefrau nicht zu hören bekam.
Sie gab im PC seinen Namen ein und erhielt etliche Treffer. So wie es schien, bewegte sich der Psychologe in elitären Kreisen und ließ sich auch gerne mal mit wechselnden Damen am Arm in der Öffentlichkeit ablichten. Bei der ehrenamtlichen Betreuung jugendlicher Straftäter, bei dem Besuch einer Vernissage, mit einer jungen Frau, die seine Tochter hätte sein können. Wer weiß, vielleicht war sies ja. Der musste einen guten Draht zur Presse haben. Er hatte eine Praxis in der Goethestraße, Frankfurts mondänster Einkaufsstraße. Wo sonst? Jenny überlegte, ob sie wegen eines Termins anrufen sollte, entschied sich dann aber, einfach hinzufahren. Wenn er keine Zeit für sie hatte, konnte sie auf der nahegelegenen Fressgaß bummeln und zu Mittag essen.
Da Parken in der Innenstadt unerschwinglich war, stieg sie am Polizeipräsidium in die U-Bahn und war nach wenigen Minuten an der Alten Oper. In Ruhe schlenderte sie zur Goethestraße, suchte Possmanns Hausnummer und fuhr mit dem Fahrstuhl in den dritten Stock. Statt einer normalen Eingangstür empfing sie eine riesige Milchglasscheibe, hinter der sich Gestalten wie Silhouetten bewegten. Sie klingelte und eine Schiebetür glitt lautlos auf. Hinter einer brusthohen Anmeldung saß eine Mitarbeiterin, die einem Modejournal entsprungen schien, und gab einer exklusiv gekleideten Patientin gerade einen neuen Termin. „Wie immer um sechzehn Uhr, Frau Steigenburg. Auf Wiedersehen und einen schönen Tag noch.“ Die Dame nickte hoheitsvoll und rauschte hinaus.
„ Guten Tag“, lächelte die stark geschminkte Blondine. „Was kann ich für Sie tun?“
Jenny legte ihren Ausweis auf die Theke. „Becker, Kriminalpolizei, ich müsste Herrn Dr. Possmann in einer dringenden Angelegenheit sprechen.“
„ Oh, erwartet er Sie denn?“
„ Nein, aber die Angelegenheit duldet keinen Aufschub.“
„ Ich werde nachfragen, einen Moment bitte.“
Sie verschwand in einem Hinterzimmer, war jedoch kaum zehn Sekunden später wieder da.
„ Der Herr Doktor erwartet Sie, letzte Tür links bitte.“
„ Danke“, nickte Jenny.
Als sie den Gang nach hinten durchging, wurde die letzte Tür von innen geöffnet und ein mittelgroßer stattlicher Mann stand vor ihr. Auf den ersten Blick erschienen seine Züge attraktiv, doch bei genauerem Hinsehen fielen ihr der verlebte Zug um den Mund und die geplatzten Äderchen, die auf übermäßigen Alkoholgenuss hindeuteten, auf. Er schüttelte ihr die Hand.
„ Possmann, bitte treten Sie näher. Ich habe mir schon gedacht, dass Sie vorbeikommen. Gudrun, also Frau Wegener hat mich angerufen.“
Jenny nickte und betrat das Sprechzimmer, das als besseres Wohnzimmer hätte durchgehen können. Sie registrierte einen antiken Holzschreibtisch, hinter dem sich der Doktor niederließ, ebenso ein Sofa, zwei Sessel und dicke Perserteppiche auf dem Boden.
„ Bitte nehmen Sie Platz. Was möchten Sie wissen? Tragisch, was da mit Lothar passiert ist. Wirklich ermordet? Wer tut sowas bloß?“
„ Damit müssten Sie sich doch genauso gut auskennen wie ich, Herr Doktor. Schließlich sind Sie Psychiater, oder?“
„ Psychologe, das ist etwas ganz anderes. Natürlich musste ich mich in meiner Ausbildung auch mit den dunkleren Seiten der menschlichen Natur auseinandersetzen, aber heute behandle ich sehr viel harmlosere Erkrankungen, Depressionen, Phobien und so weiter und so weiter.“
„ Und Lothar Wegener war Ihr bester Freund?“
„ Ja, schon seit Ewigkeiten. Wir haben oft zusammen Golf gespielt.“
„ Können Sie sich einen Grund vorstellen, warum ihn jemand ermordet hat?“
„ Nein, ich meine, sowas ist doch unvorstellbar. Von seinen Geschäften wusste ich nicht viel, außer, dass er mir ein Auto verkauft hat. Aber sonst? Ich weiß wirklich keinen Grund. Vielleicht Zufall?“
„ Ich kann Ihnen noch nichts Genaueres sagen, aber es sah sehr
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