Mörderisch verliebt: Roman (German Edition)
Fingerspitzen tastete ich meine Wange ab. Dreck und Erde klebten daran, und in dem Moment dämmerte es mir. Ich war nicht etwa von irgendeinem unsichtbaren Heckenschützen angeschossen worden, sondern von einem Wasserstrahl von Solbergs Rasensprengern im Gesicht getroffen worden.
In ehrfürchtiger Dankbarkeit strich ich mir übers Gesicht. Ich erkannte, dass ich es lieber mochte, als ich gedacht hätte.
Die Wirklichkeit stellte sich Schritt für Schritt wieder ein. Ich befand mich in Sicherheit. Ich war zu Hause. Ich atmete ganz tief ein und überlegte, etwas ganz Banales zu tun, um das Gefühl der Normalität zu verstärken. Ich könnte mir zum Beispiel die Zähne putzen oder die Toilette reinigen. Ich könnte ein Bad nehmen oder die Wäsche machen. Ich sah an mir herunter. Die dicken Schlammklumpen begannen, zu Stein zu werden. Wäsche waschen wäre also keine schlechte Idee. Aber es war fast vier Uhr morgens.
Und es gab nur eine Sache, die um vier Uhr morgens total normal war.
Zwei Minuten später war ich eingeschlafen, während das Haus in hellstem Lichterglanz erstrahlte.
»Geht es Ihnen gut? Sie verhalten sich heute irgendwie komisch.«
Ich konzentrierte mich wieder auf meinen Patienten. Sein Name war Henry Granger. Von Henry Granger wollte man eher ungern hören, sich »komisch« zu verhalten.
Er hatte mir in unserer ersten Sitzung erzählt, dass seine Freunde ihn Willy nannten, und mich seitdem mit Geschichten über seine Teegesellschaften erfreut, bei denen er nichts weiter getragen hatte als die Strapse seiner Frau. Ich lehnte es strikt ab, darüber nachzudenken, warum ich ihn Willy nennen sollte.
»Mir geht es gut«, antwortete ich. »Haben Sie sich entschieden, ob sie es Phyllis erzählen möchten?«
Er räusperte sich und starrte mich finster an. Er war ein ziemlich kräftiger Kerl, wog weit über hundert Kilo und war siebzig Jahre alt. Aber vielleicht gibt es keinen geeigneten Zeitpunkt, an dem es einem leicht fällt, seiner Ehefrau zu beichten, dass man sich ihre Unterwäsche auszuleihen pflegt.
»Die Teegesellschaften?«, fragte er.
Ich fragte mich, was er sonst noch zu beichten hätte. Der sich daran anschließende Punkt war, ob ich bereit war, die Antwort zu hören. Ich war immer noch ein wenig zittrig von der vorherigen Nacht, aber ich gab mir Mühe, bei der nächsten Frage nicht zusammenzuzucken.
»Gibt es weitere Dinge in Ihrer Vergangenheit, die Sie belasten?«
Er räusperte sich erneut und sah zum Fenster hinaus.
»Nicht wirklich.«
Was unter Psychologen so viel wie »ja« bedeutete.
Ich riss mich zusammen. Ich hatte bis Viertel nach neun geschlafen. Meinen ersten Termin hatte ich um zehn Uhr gehabt. Mit dem Wagen brauchte ich eine halbe Stunde zur Praxis, wenn nicht mehr als drei Autos in Unfälle auf der 210 verwickelt waren. Einmal hatte ich versucht, die 5 nach Eagle Rock hinunter zu nehmen, dann aber beschlossen, mir lieber ein Pappschild zu basteln und mich zu den Pennern in der Innenstadt zu gesellen, als mir diesen Wahnsinn nochmals anzutun.
Als ich einen prüfenden Blick in den Rückspiegel warf, sah mein Haar aus, als hätte ich mich irgendeiner obskuren mittelalterlichen Schocktherapie unterzogen, und obwohl ich mich mit genügend Jivago einparfümiert hatte, um einen Killerwal darin zu ertränken, war ich dennoch mehr als besorgt, dass mein Körpergeruch und der Angstschweiß selbst damit nicht übertüncht werden könnten.
Nach nur knappen fünf Stunden Schlaf und der Erinnerung an einen Kerl, der mich gejagt hatte wie ein Grizzlybär eine Feldmaus, fühlte ich mich nicht gerade, als könnte ich Bäume ausreißen. War der Typ nur ein gewöhnlicher Einbrecher gewesen, oder hatte er mich dabei beobachtet, wie ich Solbergs Haus betreten hatte?
Einen Moment mal! Er hatte keinesfalls etwas gesucht. Er hatte jemanden gesucht. Da war ich mir plötzlich ziemlich sicher. Die Pistole hatte sich ziemlich deutlich in mein Hirn eingebrannt.
»Ich wüsste nicht, wie mir das weiterhelfen sollte, wenn ich ihr alles erzähle«, sagte Mr. Granger.
»Na ja …«, wiegelte ich ab und sah auf die Uhr. Zehn vor eins. »Darüber sollten Sie diese Woche einmal nachdenken. Jetzt ist unsere Sitzung leider vorbei.«
Er stand auf, und ich verabschiedete mich von ihm. Die Hunts waren als Nächstes dran. Ihr Wochenende war um einiges besser gewesen als das meine. Mrs. Hunt hatte ihm am Sonntagmorgen Waffeln gebacken, und Mr. Hunt hatte im Gegenzug das Badezimmer geputzt.
Mrs. Hunt klang
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